03.09.2015

Anforderung "Deutsch als Muttersprache" benachteiligt Bewerber wegen ethnischer Herkunft

Ein Arbeitgeber, der in einer Stellenausschreibung "Deutsch als Muttersprache" verlangt, verstößt gegen das Benachteiligungsverbot aus §§ 7 Abs. 1, 1 AGG. Dieses Auswahlkriterium meint nicht lediglich eine perfekte Beherrschung der Sprache, sondern stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar.

LAG Hessen 15.6.2015, 16 Sa 1619/14
Der Sachverhalt:

Der Kläger bewarb sich bei der Beklagten um eine befristete Stelle als Bürohilfe, die vor allem ein Buchprojekt unterstützen sollte. Eine Anforderung der Stellenausschreibung lautete "Deutsch als Muttersprache". Die Muttersprache des Klägers ist Russisch, er war jedoch wegen seiner sehr guten Deutschkenntnisse objektiv für die ausgeschriebene Tätigkeit geeignet. Seine Bewerbung blieb dennoch erfolglos; die Beklagte stellte andere Bewerber ein. Eine Ablehnungserklärung gegenüber dem Kläger erfolgte nicht.

Der Kläger meinte, er sei durch die Voraussetzung "Deutsch als Muttersprache" wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminiert worden, und begehrte eine angemessene Entschädigung. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auf seine Berufung verurteilte das LAG die Beklagte gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu einer Entschädigungszahlung i.H.v. zwei Monatsgehältern. Gegen die Entscheidung ist unter dem Az. 8 AZR 402/15 die Revision anhängig.

Die Gründe:

Die Ausschreibung der Beklagten verstieß gegen § 7 Abs. 1 AGG, weil sie Bewerber, die Deutsch nicht als Muttersprache erlernt haben, wegen ihrer ethnischen Herkunft gem. § 1 AGG benachteiligt. Diese Bewerber werden wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zur deutschen Ethnie unabhängig von ihren tatsächlichen Sprachkenntnissen ausgeschlossen.

Das Merkmal der ethnischen Herkunft ist in einem umfassenden Sinn zu verstehen, um einen lückenlosen Schutz vor Diskriminierungen zu gewährleisten. Als "Muttersprache" wird die in früher Kindheit ohne formalen Unterricht erlernte Sprache bezeichnet. Ein Muttersprachler ist i.d.R. eine Person, in deren Elternhaus die betreffende Sprache gesprochen wurde. Daher knüpft der Begriff der Muttersprache an die ethnische Herkunft einer Person an.

Die Besetzung der Stelle mit einem Muttersprachler ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise gerechtfertigt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit nur von einem Muttersprachler geleistet werden kann. Die hier gewählte Formulierung "Deutsch als Muttersprache" kann zudem nicht lediglich im Sinne einer perfekten Beherrschung der Sprache verstanden werden.

Schließlich hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch auch rechtzeitig geltend gemacht. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG wurde mangels Ablehnungserklärung nicht in Gang gesetzt, da das bloße Schweigen auf eine Bewerbung keine Ablehnung darstellt. Dies gilt selbst dann, wenn es für den Bewerber naheliegt, dass seine Bewerbung erfolglos war, weil der befristete Zeitraum der Beschäftigung schon abgelaufen war.

juris
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