28.07.2016

Arbeitskampf: Verletzung der Friedenspflicht kann zur Schadensersatzpflicht führen

Ein Streik, dessen Kampfziel auch auf die Durchsetzung von Forderungen gerichtet ist, welche die in einem Tarifvertrag vereinbarte Friedenspflicht verletzen, ist rechtswidrig und verpflichtet bei schuldhaftem Handeln zum Ersatz der dem Kampfgegner entstandenen Schäden. Die streikführende Gewerkschaft kann in einem solchen Fall nicht einwenden, die Schäden wären auch bei einem Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen entstanden.

BAG 26.7.2016, 1 AZR 160/14
Der Sachverhalt:
Die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals. Sie hatte mit der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens - der Fraport AG (Fraport) - einen Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale geschlossen, dessen Bestimmungen für die Laufzeit des Tarifvertrags abschließend sein sollten. Die Regelungen in § 5 bis § 8 des Tarifvertrags waren erstmalig Ende 2017 kündbar, die übrigen bereits Ende 2011.

Nach Teilkündigung des Tarifvertrags mit Ausnahme von § 5 bis § 8 durch die GdF zum 31.12.2011 verhandelten diese und Fraport über einen neuen Tarifvertrag. Ein vereinbartes Schlichtungsverfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters. Diese enthielt entsprechend den Schlichtungsverhandlungen auch Ergänzungen zu dem noch ungekündigten Teil des Tarifvertrags. Am 15.2.2012 kündigte die GdF gegenüber Fraport an, ihre Mitglieder zu einem befristeten Streik mit dem Ziel der Durchsetzung der Schlichterempfehlung aufzurufen. Der einen Tag später begonnene Streik endete aufgrund einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung am 29.2.2012.

Daraufhin verlangte Fraport von der Beklagten den Ersatz ihr aufgrund des Streiks entstandener Schäden. ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision von Fraport hob das BAG die Vorentscheidungen auf und gab der Klage dem Grunde nach statt.

Die Gründe:
Der von der GdF getragene, als einheitliche und unteilbare Handlung zu beurteilende Streik war rechtswidrig. Er diente der Durchsetzung der Schlichterempfehlung und damit auch der Modifizierung von ungekündigten Bestimmungen des Tarifvertrags. Hinsichtlich dieser Regelungen galt nach wie vor die tarifvertraglich vereinbarte erweiterte Friedenspflicht. Diese wiederum verwehrte es der Beklagten, Änderungen mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen.

Unerheblich war der Einwand der Beklagten, sie hätte denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten). Es hätte sich wegen eines anderen Kampfziels nicht um diesen, sondern um einen anderen Streik gehandelt. Dal die Beklagte schuldhaft gehandelt hat, ist sie Fraport gegenüber aus Delikt und wegen Vertragsverletzung zum Ersatz von streikbedingten Schäden verpflichtet. Zu deren Feststellung wurde die Sache an das LAG zurückverwiesen.

Hinterrund:

In der vom Senat verhandelten und entschiedenen Sache ging es auch um die Revisionen von zwei Fluggesellschaften. Diese hatten von der GdF den Ersatz ihnen durch den Streik entstandener Schäden verlangt. Ihre gegen die klageabweisenden Entscheidungen gerichteten Revisionen hatten allerdings keinen Erfolg. Als Drittbetroffene haben sie keinen Schadensersatzanspruch (BAG v. 25.8.2015, Az.: 1 AZR 754/13.u. 1 AZR 875/13).

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 38 vom 26.7.2016
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