16.05.2012

Bei Inkrafttreten eines Tarifvertrags erst nach einem Betriebsübergang haben Arbeitnehmer keine Ansprüche gegen den Erwerber

Tritt ein Tarifvertrag nicht mit seinem Abschluss, sondern erst einige Jahre später in Kraft, und kommt es zwischenzeitlich zu einem Betriebsübergang, können die Arbeitnehmer nach Inkrafttreten des Tarifvertrags hieraus keine Ansprüche gegen den Erwerber ableiten. Die tariflichen Regelung gehören in diesem Fall noch nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die gem. § 613a Abs. 1 BGB auf den Erwerber übergehen. Auch eine Bezugnahmeklausel führt nicht dazu, dass der Erwerber die tariflichen Ansprüche erfüllen muss.

BAG 16.5.2012, 4 AZR 320/10 u. 321/10
Der Sachverhalt:
In zwei überwiegend parallel liegenden Rechtssachen ging es um einen Anspruch aus einem Haustarifvertrag über eine Zusatzzahlung (TV Zusatzzahlung). Diese Zahlung stand im Zusammenhang mit einem zuvor erbrachten Verzicht auf tarifvertragliche Rechte, der in einem gesonderten Sanierungstarifvertrag vereinbart worden war.

Der TV Zusatzzahlung wurde im Herbst 2004 gleichzeitig mit dem sofort in Kraft tretenden Sanierungstarifvertrag verhandelt und abgeschlossen. Er sollte jedoch erst am 1.1.2008 in Kraft treten, um vorherige Rückstellungen in der Bilanz zu vermeiden. Bereits zuvor - zum 1.1.2006 - gingen die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen, die in einem Callcenter tätig sind, im Wege des Betriebsübergangs auf die im vorliegenden Rechtsstreit beklagte Arbeitgeberin über.

Die Klägerinnen machten u.a. geltend, dass ihnen die tarifliche Zusatzleistung aufgrund der Verweisungsklauseln im Arbeitsvertrag zustehe. Die tarifliche Regelung über das Inkrafttreten könne nur dahingehend verstanden werden, dass die Regelung über die Zusatzleistung erst ab dem 1.1.2008 Wirkung entfalten solle. Im Übrigen liege eine Verletzung des Maßregelungsverbots vor, da die Arbeitskollegen, die sich mit einer Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich einverstanden erklärt hätten, Leistungen im Wert der Zusatzzahlung erhielten.

Arbeitsgericht und LAG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob das BAG diese Entscheidungen auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die tarifliche Zusatzzahlung.

Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. den Normen des TV Zusatzzahlung. Tritt ein Tarifvertrag - wie hier - erst einige Zeit nach seinem Abschluss in Kraft, so ist für den Beginn der Tarifgeltung der Zeitpunkt des Inkrafttretens maßgebend. Zuvor gehört der tarifvertragliche Regelungsbestand nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem im Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB.

Aus der Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen der Klägerinnen ergibt sich nichts anderes. Nach Betriebsübergang kommt bei einem zuvor noch nicht in Kraft getretenen Haustarifvertrag des Veräußerers eine Verbindlichkeit der Tarifnorm auch nicht über eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die "Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge" in Betracht, weil diese nicht Haustarifverträge eines anderen Unternehmens erfasst.

Die Klägerinnen können sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des Maßregelungsverbots i.V.m. dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Hierauf konnten sie ihren Klageantrag schon deshalb nicht stützen, weil
sie nicht die der begünstigten Arbeitnehmergruppe gewährten Leistungen - Gutscheine und Gutschreibungen auf Kundenkonten sowie im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung - verlangt haben, sondern die Auszahlung eines Geldbetrags.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 36/12 vom 16.5.2012
Zurück