01.07.2015

BVerfG weist drei Verfassungsbeschwerden gegen das Mindestlohngesetz als unzulässig ab

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat drei Verfassungsbeschwerden gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) als unzulässig abgewiesen. In zwei Fällen waren die Verfassungsbeschwerden nicht erfolgreich, weil die Beschwerdeführer nach Auffassung des BVerfG zunächst die Fachgerichte hätten anrufen müssen (Grundsatz der Subsidiarität). Im dritten Fall war die Verfassungsbeschwerde mangels genauer Angaben zur tatsächlichen Situation nicht hinreichend substantiiert.

BVerfG 25.6.2015, 1 BvR 20/15, 1 BvR 37/15 u. 1 BvR 555/15
+++ Verfassungsbeschwerde ausländischer Transport- und Logistikunternehmen (Az.: 1 BvR 555/15)

Der Sachverhalt:
Im Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 BvR 555/15 machten 14 auch in Deutschland tätige Transport- und Logistikunternehmen aus Österreich, Polen und Ungarn die Verfassungswidrigkeit von §§ 16, 17 Abs. 2 und 20 MiLoG geltend. Sie wandten sich damit gegen die auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland bestehende Pflicht, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns zu bezahlen, sowie gegen diverse Melde- und Dokumentationspflichten.

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Die Beschwerdeführer sind gehalten, zunächst den fachgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten. Denn nach dem Grundsatz der Subsidiarität ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann. Die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte besteht nur in Ausnahmefällen nicht, insbesondere wenn die Anrufung der Fachgerichte unzumutbar ist.

Dies ist hier nicht der Fall. Es wäre zwar unzumutbar, wenn die Beschwerdeführer zunächst gegen das MiLoG verstoßen müssten, um dann gegen ein etwaiges Bußgeld gerichtlich vorgehen zu können. Dies ist jedoch nicht erforderlich. Denn es besteht die Möglichkeit, vor den Fachgerichten auf Feststellung zu klagen, nicht zu den nach § 16, § 17 Abs. 2 und § 20 MiLoG gebotenen Handlungen verpflichtet zu sein. Derartige negative Feststellungsklagen sind nicht von vornherein unzulässig; es liegt sogar nahe, dass die Fachgerichte ein Feststellungsinteresse als gegeben ansehen würden.

Die vorherige Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Fachgerichte erscheint auch geboten. Klärungsbedürftig ist insbesondere,

  • ob die Voraussetzung einer Beschäftigung im Inland wie im Sozialversicherungsrecht zu verstehen ist,
  • ob ausnahmslos jede, auch nur kurzfristige Tätigkeit auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Inlandsbeschäftigung darstellt oder
  • ob etwa eine bestimmte Dauer oder ein Bezug zu den deutschen Sozialversicherungssystemen und zu den Lebenshaltungskosten in Deutschland vorauszusetzen ist,
  • ob eine Mindestlohnpflicht bei kurzzeitigen Einsätzen in Deutschland erforderlich ist, um die mit dem MiLoG verfolgten Ziele zu erreichen und
  • ob das MiLoG unionsrechtlich zulässig ist.

+++ Verfassungsbeschwerde eines 17-jährigen Arbeitnehmers (Az.: 1 BvR 37/15)

Der Sachverhalt:
Der 17-jährige Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 37/15 ist mit einem Stundenlohn von 7,12 Euro in der Systemgastronomie beschäftigt. Er wandte sich gegen § 22 Abs. 2 MiLoG, wonach Kinder und Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung keinen Anspruch auf Mindestlohn haben. Hierin liege eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1.

Diese Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG ebenfalls nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Auch in diesem Verfahren ist dem Grundsatz der Subsidiarität nicht genügt. Dem Beschwerdeführer ist es zumutbar, vor Anrufung des BVerfG zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Dass ihm hierdurch ein schwerer und unabwendbarer Nachteil drohen würde, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt.

+++ Verfassungsbeschwerde einer Zeitungszustellerin (1 BvR 20/15)

Der Sachverhalt:
Im Verfahren 1 BvR 20/15 wandte sich die Beschwerdeführerin gegen § 24 Abs. 2 MiLoG, der für Zeitungszusteller nach einer schrittweisen Anhebung einen Mindestlohn i.H.v. 8,50 Euro brutto erst ab dem 1.1.2017 vorgibt. Die Beschwerdeführerin rügte die zeitlich verzögerte Einführung des Mindestlohns in dieser Branche.

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert geltend gemacht, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein. Es fehlen Angaben dazu, ob sie die Voraussetzungen einer Zeitungszustellerin erfüllt, wie sie in § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG genannt sind, und zu einer aktuellen Vergütung, die unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns i.H.v. 8,50 Euro brutto je Zeitstunde liegen müsste.

Linkhinweis:
Die drei Entscheidungen sind auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht. Um direkt zu den drei Volltexten zu kommen, klicken Sie bitte auf die nachfolgenden Links:

BVerfG PM Nr. 29/2015 vom 1.7.2015
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