16.09.2015

Deutschland darf arbeitslosen EU-Ausländern Sozialleistungen verweigern

Deutschland muss arbeitslosen EU-Ausländern nicht in gleichem Umfang Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) gewähren wie deutschen Staatsangehörigen. Hat ein EU-Ausländer weniger als ein Jahr in Deutschland gearbeitet, dürfen die Jobcenter die Sozialleistungen nach einem halben Jahr einstellen. Zudem müssen überhaupt keine Sozialleistungen gewährt werden, wenn ein EU-Ausländer nach Deutschland einreist, ohne Arbeit zu suchen.

EuGH 15.9.2015, C-67/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde in Bosnien geboren und ist inzwischen schwedische Staatsangehörige. Ihre drei Kinder wurden in den Jahren 1994, 1998 und 1999 in Deutschland geboren. Nach zwischenzeitlichem Aufenthalt in Schweden kehrte die Familie 1999 nach Deutschland zurück. Die Klägerin und ihre älteste Tochter gingen in der Folgezeit weniger als ein Jahr kürzeren Beschäftigungen nach und waren dann gar nicht mehr erwerbstätig.

Die Klägerin und ihre Kinder erhielten lediglich sechs Monate lang (vom 1.12.2011 bis zum 31.5.2012) Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte.

Das Bundessozialgericht setzte die Klage auf Weitergewährung der Sozialleistungen aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob ein Ausschluss von Sozialleistungen auch bei Unionsbürgern zulässig ist, die sich zur Arbeitsuche in einen Aufnahmemitgliedstaat begeben haben und dort schon eine gewisse Zeit gearbeitet haben, wenn Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten. Der EuGH bejahte dies.

Die Gründe:
Ein Mitgliedstaat kann Unionsbürger, die in diesen Staat zur Arbeitsuche einreisen, grds. von bestimmten beitragsunabhängigen Sozialleistungen, wie das Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld ausschließen. Hierin liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

EU-Ausländer können nur dann in gleichem Umfang Sozialleistungen wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats verlangen, wenn die Voraussetzungen der Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) erfüllt sind. Danach gibt es für Arbeitsuchende folgende zwei Möglichkeiten, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen:

  • Ist ein Unionsbürger, dem ein Aufenthaltsrecht als Erwerbstätiger zustand, unfreiwillig arbeitslos geworden, nachdem er weniger als ein Jahr gearbeitet hatte, und stellt er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung, behält er seine Erwerbstätigeneigenschaft und sein Aufenthaltsrecht für mindestens sechs Monate. Während dieses gesamten Zeitraums kann er sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und hat Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.
  • Wenn ein Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat noch nicht gearbeitet hat oder wenn der Zeitraum von sechs Monaten abgelaufen ist, darf ein Arbeitsuchender nicht aus dem Aufnahmemitgliedstaat ausgewiesen werden, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. In diesem Fall darf der Aufnahmemitgliedstaat jedoch jegliche Sozialhilfeleistung verweigern.

Daraus folgt, dass in Fällen, in denen der EU-Ausländer weniger als ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat gearbeitet hat, lediglich für sechs Monate ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht. Ist der EU-Ausländer in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist, ohne Arbeit zu suchen, dürfen Sozialleistungen zudem gänzlich verweigert werden.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr.101/15 vom 15.9.2015
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