04.05.2012

EU-Vorgaben zum Mindesturlaub gelten auch für Beamte

Die EU-Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wonach allen Arbeitnehmern ein Mindesturlaub zusteht, gilt auch für Beamte. Konnte ein Beamter vor Eintritt in den Ruhestand krankheitsbedingt seinen Urlaub nicht nehmen, so hat er daher wie andere Arbeitnehmer einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs. Das gilt allerdings nur für den Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr und nicht für darüber hinaus gewährte Urlaubsansprüche.

EuGH 3.5.2012, C-337/10 ("Neidel")
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war bei der beklagten Stadt Frankfurt a.M. im Beamtenverhältnis als Feuerwehrmann beschäftigt. Seit Mitte 2007 war er krankheitsbedingt dienstunfähig; im Spätsommer 2009 trat er in den Ruhestand. Nach den anwendbaren deutschen Rechtsvorschriften musste er seinen Urlaub grds. im Urlaubsjahr nehmen. Daneben bestand ein Übertragungszeitraum von neun Monaten, so dass Urlaub, der nicht innerhalb dieser neun Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres angetreten worden war, verfiel.

Der Kläger war der Auffassung, dass die Beklagte den Urlaub, den er in den Jahren 2007 bis 2009 krankheitsbedingt nicht nehmen konnte, finanziell abgelten müsse. Die Beklagte verweigerte dies, weil eine Geldabfindung für nicht genommenen Urlaub im deutschen Beamtenrecht nicht vorgesehen sei.

Auf die daraufhin erhobene Klage legte das hiermit befasste VG Frankfurt a.M. dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2003/88 vor. Es wollte insbesondere wissen, ob diese auch für Beamte gilt und ob sich der darin vorgesehene Urlaubsabgeltungsanspruch nur auf den Mindestjahresurlaub von vier Wochen bezieht. Der EuGH bejahte dies.

Die Gründe:
Die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung gilt auch für Beamte, die - wie der Kläger - unter gewöhnlichen Umständen als Feuerwehrmann tätig sind. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich grds. auf alle privaten und öffentlichen Tätigkeitsbereiche. Die in der Richtlinie geregelten Ausnahmen hiervon sollen lediglich das Funktionieren von Diensten gewährleisten, die für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und Ordnung unerlässlich sind.

Nach dieser Richtlinie hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen im Jahr. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden, gewährt die Richtlinie dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf finanzielle Vergütung. Für den Streitfall folgt hieraus, dass Beamte bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub haben, den sie krankheitsbedingt nicht genommen haben.

Die Richtlinie steht allerdings der Anwendung nationaler Bestimmungen nicht entgegen, die dem Beamten zusätzlich zum Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. Im Hinblick auf diesen zusätzlichen Urlaub können die nationalen Rechtsvorschriften daher vorsehen, dass dieser nicht abzugelten ist, wenn der Beamte ihn krankheitsbedingt nicht nehmen konnte.

Wie der EuGH bereits jüngst entschieden hat, müssen Urlaubsansprüche bei Krankheit zwar nicht beliebig lang angehäuft werden können (EuGH, Urt. v. 22.11.2011 - Rs. C-214/10 - "Winfried Schulte"). Der Übertragungszeitraum muss die Dauer des Bezugszeitraums (hier: ein Jahr), für den er gewährt wird, jedoch deutlich überschreiten. Bei einem Jahresurlaub sind demnach neun Monate zu kurz; 15 Monate reichen  hingegen nach dem Urteil vom 22.11.2011 aus.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.
  • Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
EuGH PM Nr. 57/12 vom 3.5.2012
Zurück