17.07.2012

Im Jahresurlaub erkrankte Arbeitnehmer dürfen ihren Urlaub nachholen

Ein Arbeitnehmer, der während seines bezahlten Jahresurlaubs arbeitsunfähig wird, ist berechtigt, später eine der Dauer seiner Krankheit entsprechende Urlaubszeit in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht wird unabhängig davon gewährt, wann die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist.

EuGH 21.6.2012, C-78/11
Der Sachverhalt:
Das spanische Recht sieht zwar vor, dass der Arbeitnehmer, wenn der Urlaub zeitlich mit einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Schwangerschaft, Geburt oder Stillzeit zusammenfällt, berechtigt ist, seinen Urlaub, der der Zeit der Arbeitsunfähigkeit entspricht, später zu nehmen. Es regelt allerdings nicht die Fälle, in denen der Urlaub mit einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit zusammenfällt. Infolgedessen hatten einige Gewerkschaften Kollektivklagen auf Anerkennung des Rechts von Arbeitnehmern erhoben, ihren bezahlten Jahresurlaub auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn er mit Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit zusammenfällt.

Die Nationale Vereinigung großer Handelsunternehmen) vertrat dagegen die Auffassung, dass Arbeitnehmer, die bereits vor Beginn eines im Voraus festgelegten Urlaubszeitraums arbeitsunfähig geworden seien oder während dieses Zeitraums arbeitsunfähig würden, nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht berechtigt seien, ihren Urlaub in Anspruch zu nehmen, abgesehen von den in der nationalen Regelung ausdrücklich vorgesehenen Fällen.

Der Oberste Gerichtshof Spaniens legte im Laufe des Verfahrens dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung der spanischen Regelung entgegensteht. Der EuGH bejahte diese Frage.

Die Gründe:
Ein Arbeitnehmer, der während seines bezahlten Jahresurlaubs arbeitsunfähig wird, ist berechtigt, später eine der Dauer seiner Krankheit entsprechende Urlaubszeit in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht wird unabhängig davon gewährt, wann die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist nach ständiger EuGH-Rechtsprechung als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen. In dieser Eigenschaft ist der Urlaubsanspruch in der Charta der Grundrechte der EU ausdrücklich verankert. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub darf auch nicht restriktiv ausgelegt werden. Vor allem soll der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub es dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dieser Zweck weicht somit vom Zweck des Anspruchs auf Krankheitsurlaub ab, der es dem Arbeitnehmer ermöglicht, von einer Krankheit, die eine Arbeitsunfähigkeit verursacht, zu genesen.

Der Zeitpunkt, zu dem die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, ist irrelevant. Der Arbeitnehmer ist infolgedessen berechtigt,
seinen bezahlten Jahresurlaub, der mit einem Krankheitsurlaub zusammenfällt, zu einer späteren Zeit zu nehmen, unabhängig davon, wann die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Es wäre nämlich vom Zufall abhängig und widerspräche dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, wenn dem Arbeitnehmer dieses Recht nur unter der Voraussetzung gewährt würde, dass er bereits zu Beginn des bezahlten Jahresurlaubs arbeitsunfähig war.

Schließlich kann der neue Jahresurlaub (dessen Dauer der Überschneidung des ursprünglich festgelegten Urlaubs mit dem Krankheitsurlaub entspricht), den der Arbeitnehmer nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit in Anspruch nehmen darf, gegebenenfalls außerhalb des entsprechenden Bezugszeitraums für den Jahresurlaub festgelegt werden.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 87 v. 21.6.2012
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