12.06.2014

Kein Erlöschen des Urlaubsanspruchs mit dem Tod des Arbeitnehmers

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub geht entgegen der bisherigen deutschen Rechtspraxis (vgl. BAG, Urt. v. 20.9.2011 - 9 AZR 416/10) mit seinem Tod nicht unter. Das Unionsrecht steht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, die für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließen.

EuGH 12.6.2014, C-118/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens nimmt den Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes (E) auf Urlaubsabgeltung in Anspruch. E war seit 1998 bei dem Beklagten beschäftigt. Von 2009 bis zu seinem Tod im November 2010 war er aufgrund einer schweren Erkrankung mit Unterbrechungen arbeitsunfähig. Bis er starb, hatte er 140,5 Tage offenen Jahresurlaub angesammelt, deren Abgeltung die Klägerin nun verlangte.

Das mit der Sache befasste LAG Hamm wollte vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten gestattet, wonach im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht. Ferner wollte es wissen, ob eine solche Abgeltung von einem Antrag des Betroffenen im Vorfeld abhängt.

Der EuGH verneinte die Vorlagefragen.

Die Gründe:
Es ist mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG), die einen Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen vorsieht, unvereinbar, wenn dieser Anspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers ersatzlos untergeht.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts. Zudem ist zu beachten, dass die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs darstellen. Vor diesem Hintergrund hat der EuGH bereits entschieden, dass es gegen das Unionsrecht verstößt, wenn langzeiterkrankte Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Vergütung für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub erhalten.

Auch im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers muss durch einen finanziellen Ausgleich die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sichergestellt werden. Der unwägbare Eintritt des Todes des Arbeitnehmers darf nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen.

Die Urlaubsabgeltung hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat.

Der Hintergrund:
Die Entscheidung ändert die Rechtslage in Deutschland. Denn bislang galt, dass mit dem Tod des Arbeitnehmers der Urlaubsanspruch erlischt und dieser sich nicht nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch umwandelt (BAG, Urt. v. 20.9.2011 - 9 AZR 416/10).

Linkhinweise:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

Für die auf den Webseiten des BAG veröffentlichte Entscheidung vom 20.9.2011 (9 AZR 416/10) klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 83 vom 12.6.2014
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