19.01.2017

Kündigung während der Probezeit und Erkrankung des Kindes

Bleibt der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Probezeitkündigung zur Betreuung seines erkrankten Kindes der Arbeit fern, stellt die Kündigung nur dann eine unzulässige Maßregelung dar, wenn sie ausgesprochen wurde, weil der Arbeitnehmer von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, eigenmächtig der Arbeit fernzubleiben. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu keiner Zeit aufgefordert hat, die Arbeit wieder aufzunehmen.

LAG Rheinland-Pfalz 8.11.2016, 8 Sa 152/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist alleinerziehender Vater eines 2011 geborenen Sohnes. Er war bei dem Beklagten ab Juni 2015 als Kurierfahrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah u.a. eine sechsmonatige Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist vor. Der Kläger hatte vom 30.11.2015 bis 4.12.2015 Urlaub. Am 1.12.2015 informierte er den Beklagten per WhatsApp-Nachricht, dass sein Sohn in der nächsten Woche operiert werde, er daher noch den 7.12.2015 Urlaub bräuchte und der Rest der Woche bis zum 11.12.2015 über die Krankenkasse laufen würde. Der Beklagte antwortete hierauf per WhatsApp-Nachricht am 2.12.2015, dass dies in Ordnung gehe.

Vom 8.12.2015 bis 10.12.2015 befand sich der Sohn des Klägers sodann im Krankenhaus. Der Kläger wurde aufgrund des jungen Alters seines Sohnes mitaufgenommen. Die Kinderärzte schrieben den Sohn des Klägers schließlich am 11.12.2015 bis zum 31.12.2015 weiter krank und attestierten die Erforderlichkeit der Betreuung und Beaufsichtigung durch den Kläger. Die entsprechenden ärztlichen Bescheinigungen für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes faxte der Kläger dem Beklagten noch am gleichen Tag mittags zu.

Am späten Nachmittag des 11.12.2015 überreichte der Beklagte dem Kläger persönlich eine ordentliche arbeitgeberseitige fristgerechte Kündigung zum 25.12.2015. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner am 22.12.2015 eingegangenen Klage, da er die schriftliche Kündigung des Beklagten für eine unzulässige Maßregelung hielt. Der Beklagte trug vor, er habe den Kläger nicht wegen der Erkrankung seines Sohnes entlassen. Die Krankenkasse habe den Kläger bezahlt und er habe keine zusätzlichen Kosten gehabt. Die Kündigung sei innerhalb der 6-monatigen Probezeit erfolgt. Den Grund müsse er nicht angeben.

Das ArbG hielt die Kündigung für rechtsunwirksam, weil sie gegen § 612a BGB verstoße. Auf die Berufung des Beklagten hat das LAG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis wurde durch die streitgegenständliche Kündigung unter Wahrung der maßgeblichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB beendet. Auf das Arbeitsverhältnis fand das Kündigungsschutzgesetz bereits schon deshalb keine Anwendung, da die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG im Kündigungszeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Es handelte sich nämlich um eine sog. Probezeitkündigung.

Die Kündigung war auch nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 612 a BGB wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nichtig. Dieses ist verletzt, wenn zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dafür muss die zulässige Rechtsausübung der tragende Grund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für sie war (BAG 10.04.2014, Az.: 2 AZR 812/12). Für das Vorliegen einer Maßregelung i.S.v. § 612a BGB trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. In Betracht kommt diesbezüglich jedoch eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht. Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber sodann seinerseits durch substantiierten Vortrag erschüttern mit der Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer den Vollbeweis führen muss.

Im vorliegenden Fall lag kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vor. Es war nicht erkennbar, dass eine zulässige Rechtsausübung des Klägers tragender Grund für den Ausspruch der Kündigung gewesen wäre. Die bloße Mitteilung der bestehenden Erkrankung des Kindes und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Betreuung stellt keine Rechtsausübung dar. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Beklagte gekündigt hätte, weil der Kläger von seinem Recht Gebrauch gemacht hat eigenmächtig von der Arbeit fern zu bleiben. Dies war hier aber nicht der Fall. Eine Aufforderung des Beklagten wieder zur Arbeit zu erscheinen, die der Kläger mit seiner Übersendung der weiteren Bescheinigungen als Weigerung beantworten konnte, gab es nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte ein Fernbleiben von der Arbeit über den 11.12.2015 hinaus nicht akzeptieren würde, waren gleichfalls nicht ersichtlich.

Selbst bei Annahme, dass der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Übersendung der ärztlichen Bescheinigungen und Übergabe des Kündigungsschreibens im vorliegenden Fall einen Anscheinsbeweis für eine Maßregelung begründe, hätte der Beklagte diesen erschüttert. Schließlich konnte er nachweisen, dass er auf die Arbeitsleistung des Klägers nicht angewiesen war und vielmehr keinen Bedarf mehr hieran hatte.

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