15.04.2015

Maßnahmen des Gesundheitsschutzes unterliegen nicht immer der Mitbestimmung des Betriebsrats

Zwar hat der Betriebsrat bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes grds. nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen, wenn öffentlich-rechtliche Rahmenvorschriften dem Arbeitgeber Handlungsspielräume für eine betriebliche Regelung belassen. Bei sehr weit gefassten Generalklauseln (z.B. § 3 Abs. 1 ArbSchG) besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aber nur, wenn eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr vorliegt oder sich aus einer zum Gesundheitsschutz durchgeführten Gefährdungsbeurteilung ein Handlungsbedarf ergibt.

LAG Berlin-Brandenburg 25.2.2015, 23 TaBV 1448/14
Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin vertreibt im gesamten Bundesgebiet vor allem Kleidung. Sie einigte sich mit dem Betriebsrat einer Filiale auf die Bildung einer Einigungsstelle zur umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes. Die Einigungsstelle stellte durch Spruch eine "Betriebsvereinbarung über akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes" auf.

Die Arbeitgeberin focht den Beschluss der Einigungsstelle gerichtlich an. Zur Begründung machte sie u.a. geltend, dass für die getroffenen Regelungen kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestanden habe. Der Antrag der Arbeitgeberin hatte vor dem LAG überwiegend Erfolg. Das LAG ließ allerdings wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Rechtsbeschwerde an das BAG zu.

Die Gründe:
Der Spruch der Einigungsstelle ist weitgehend unwirksam, da bis auf wenige Ausnahmen für die getroffenen Regelungen kein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestand.

Der Betriebsrat hat bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zwar grds. mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift betriebliche Regelungen zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Regelungen gehören auch diejenigen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG).

Bei sehr weit gefassten gesetzlichen Generalklauseln zum Gesundheitsschutz, wie z.B. § 3 Abs. 1 ArbSchG, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aber nur, sofern eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr vorliegt oder sich aus einer zum Gesundheitsschutz durchgeführten Gefährdungsbeurteilung (z.B. § 5 ArbSchG) ein Handlungsbedarf ergibt.

Nach diesen Grundsätzen ergibt sich vorliegend insbesondere aus den gesetzlichen Generalklauseln des Gesundheitsschutzes keine Regelungskompetenz der Einigungsstelle. Denn es besteht keine objektive Gesundheitsgefahr. Auch liegt keine Gefährdungsbeurteilung vor, auf deren Grundlage Regelungen zum Gesundheitsschutz unter (zwingender) Beteiligung des Betriebsrats getroffen werden könnten. Insoweit reicht es nicht aus, dass sich die Einigungsstelle vor Erlass des Spruchs mit den Gegebenheiten im Betrieb vertraut gemacht hat.

LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 8/15 vom 10.4.2015
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