26.11.2014

Mindestentgelt in der Pflegebranche gilt auch für Zeiten des Bereitschaftsdienstes

Das Mindestentgelt nach der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) vom 15.7.2010 ist nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen. Für solche Zeiten kann zwar grds. ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber bei der PflegeArbbV aber keinen Gebrauch gemacht. Hiervon abweichende arbeitsvertragliche Vereinbarungen sind daher unwirksam.

BAG 19.11.2014, 5 AZR 1101/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei dem beklagten Pflegedienst als Pflegehelferin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsentgelt belief sich auf 1.685,85 Euro. Ihr oblag die Pflege und Betreuung von zwei dementen und an den Rollstuhl gebundenen Ordensschwestern. Sie arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten, während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. Sie bewohnte deshalb in den Arbeitsphasen ein Zimmer im Haus der Schwesternschaft in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern.

Zu den Aufgaben der Klägerin gehörten neben den eigentlichen Pflegleistungen auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern, wie z.B. das Zubereiten von Frühstück und Abendessen sowie das Wechseln und Waschen von Wäsche. Vollkommen frei hatte sie lediglich von 11:45 bis 12:45 Uhr, wenn die beiden Schwestern am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft teilnahmen, und von 17:50 bis 18:50 Uhr, wenn sie den Gottesdienst besuchten.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage eine Nachzahlung von insgesamt 2.198,59 Euro brutto für die Monate August bis Oktober 2010. Zur Begründung machte sie geltend, dass das Mindestentgelt von - damals - 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV für jede Form der Arbeit zu zahlen sei. Die Beklagte trug dagegen vor, dass die Klägerin nicht 24 Stunden am Tag gearbeitet habe. Das Mindestentgelt nach der PflegeArbbV sei nicht für Bereitschaftsdienst zu zahlen. Für diesen könne arbeitsvertraglich eine geringere Vergütung vereinbart werden.

Das Arbeitsgericht wies die Klage überwiegend ab; das LAG sprach der Klägerin für 22 Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst einen Anspruch auf das Mindestentgelt zu; lediglich die Zeiten des Mittagessens und der Teilnahme am Gottesdienst seien als nicht zu vergütende Pausen zu werten. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung von jeweils 22 Stunden pro Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst mit jeweils 8,50 Euro. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen.

Auch während Zeiten der Arbeitsbereitschaft und eines Bereitschaftsdienstes müssen sich Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfall unverzüglich ihre Arbeit aufzunehmen. Zwar kann dafür ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres als das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV vorsehen, unwirksam.

Der Hintergrund:
Der allgemeinverbindliche Mindestlohn in der Pflege ist gerade erhöht worden. Er steigt am 1.1.2015 im Westen von bislang 9,00 Euro auf 9,40 Euro und im Osten von 8,00 Euro auf 8,65 Euro. Zum 1.1.2016 erfolgt eine Erhöhung auf 9,75 Euro im Westen und 9,00 Euro im Osten sowie zum 1.1.2017 auf 10,20 Euro im Westen und 9,50 Euro im Osten. Nach der neuen Verordnung dürfen Bereitschaftsdienstzeiten allerdings grds. geringer vergütet werden als sog. Vollarbeit.

Fraglich ist zudem, ob und ggf. wie sich diese Entscheidung auf den zum 1.1.2015 wirksam werdenden gesetzlichen Mindestlohn auswirkt. Hier heißt es in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG: "Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde." Eine ausdrückliche Sonderregelung zur Entlohnung von Bereitschaftsdiensten enthält das Gesetz nicht.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 63/14 vom 19.11.2014
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