19.05.2015

Rechtsprechungsänderung: Keine Urlaubskürzung wegen Elternzeit mehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Arbeitgeber den Erholungsurlaub eines Arbeitnehmers nicht mehr gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG wegen dessen Elternzeit kürzen. Die Kürzungsbefugnis setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Die anderslautende bisherige Rechtsprechung beruhte auf der Surrogatstheorie, die der Senat inzwischen vollständig aufgegeben hat.

BAG 19.5.2015, 9 AZR 725/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit Frühjahr 2007 im Seniorenheim der Beklagten als Ergotherapeutin beschäftigt. Nach der Geburt ihres im Dezember 2010 geborenen Sohnes befand sie sich ab Februar 2011 in Elternzeit.

Zum 15.5.2012 endete das Arbeitsverhältnis. Wenige Tage später verlangte die Klägerin von der Beklagten die Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Daraufhin erklärte die Beklagte, dass sie den Erholungsurlaub gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden Monat der Elternzeit um ein Zwölftel kürze.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage verfolgte die Klägerin die geltend gemachten Abgeltungsansprüche weiter. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; das LAG gab ihr statt. Zur Begründung führte das LAG aus, dass die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG geregelte Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers zwar mit dem Unionsrecht vereinbar sei, aber keine nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs erlaube. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte durfte den Anspruch der Klägerin auf Erholungsurlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis - wie hier - bereits beendet ist und der Arbeitnehmer daher einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.

Die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhte auf der Surrogatstheorie, die der Senat inzwischen vollständig aufgegeben hat. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Ist ein Abgeltungsanspruch entstanden, bildet er daher einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Da damit vorliegend eine Kürzung des Urlaubsanspruchs ausscheidet, kann offenbleiben, ob die Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 31/15 vom 19.5.2015
Zurück