16.08.2012

Sachgrundlose Befristung: Tarifverträge dürfen sowohl bzgl. Höchstdauer als auch Verlängerungen vom TzBfG abweichen

Die Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ist trotz Verwendung des Wortes "oder" dahingehend auszulegen, dass die Tarifvertragsparteien sowohl hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen als auch hinsichtlich der Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung von der gesetzlichen Regelung abweichen dürfen. Allerdings gilt dies nicht völlig uneingeschränkt. Eine Höchstdauer von dreieinhalb Jahren in Kombination mit vier Verlängerungsmöglichkeiten ist aber nicht zu beanstanden.

BAG 15.8.2012, 7 AZR 184/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger war insgesamt dreieinhalb Jahre bei dem beklagten Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes aufgrund eines dreifach befristeten Arbeitsvertrags als Fahrer beschäftigt. Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (MRTV) vereinbart. Dieser sieht in § 2 Nr. 6 Sätze 1 und 2 vor, dass sachgrundlose Befristungen bis zu einer Gesamtdauer von 42 Monaten und höchstens vier Verlängerungen zulässig sind.

Der Kläger hielt die tarifliche Bestimmung für unwirksam und griff deshalb die hierauf gestützte letzte Befristung seines Arbeitsvertrags an. Zur Begründung machte er geltend, dass § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG den Tarifvertragsparteien lediglich erlaube, die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend vom Gesetz zu regeln, während der MTV hinsichtlich  beider Aspekte eine für Arbeitnehmer nachteilige Abweichung von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG enthalte.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf unbefristete Weiterbeschäftigung. Die vereinbarten sachgrundlosen Befristungen waren wirksam.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG dahingehend auszulegen, dass Tarifvertragsparteien nicht nur entweder die Gesamtdauer oder die Anzahl der Verlängerungen, sondern beides zugleich - auch zuungunsten der Arbeitnehmer - abweichend vom Gesetz regeln dürfen. Diese Befugnis gilt zwar nicht schrankenlos. So sind insbesondere verfassungs- und unionsrechtliche Grenzen zu beachten. Diese waren vorliegen aber auf jeden Fall nicht überschritten. Daher war nicht zu entscheiden, wo die möglichen Grenzen der gesetzlich eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien konkret liegen.

Der rechtliche Hintergrund:
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer darf nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 TzBfG ein befristeter Vertrag höchstens dreimal verlängert werden.

§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG lautet: "Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden." Nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 57 vom 15.8.2012
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