14.06.2017

Sonntagsarbeit bei Amazon unzulässig

Ein lediglich wirtschaftliches Umsatzinteresse eines Unternehmens und ein täglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse der Kunden genügen nicht, um Ausnahmen vom verfassungsrechtlich unmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertagsarbeit zu rechtfertigen. Damit eine Ausnahme möglich ist, muss das Unternehmen vielmehr einen zu erwartenden unverhältnismäßigen Schaden substantiiert darlegen.

VG Kassel 13.6.2017, 3 K 2203/14.KS
Der Sachverhalt:
Die Beigeladene ist ein Logistikdienstleister für das Unternehmen Amazon Deutschland und für andere Unternehmen, die Produkte über die Internetseite amazon.de verkaufen. Sie betreibt in Bad Hersfeld zwei Logistikzentren, in denen Ware nach Bestellung versandfertig gemacht und dann versendet wird.

Das Regierungspräsidium Kassel bewilligte durch zwei getrennte Bescheide vom 10.12.2014 auf Antrag von Amazon, dass bis zu 900 Beschäftigte an den Sonntagen 14. und 21.12.2014 in den beiden Logistikzentren arbeiten dürfen. Hiergegen erhob ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. Klage. Hiermit hatte die Gewerkschaft vor dem VG Kassel Erfolg.

Die Gründe:
Die vom Regierungspräsidium Kassel erteilte Bewilligung zur Sonntagsarbeit für den 21.12.2014 in zwei Logistikzentren war rechtswidrig.

Gemäß § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0-24 Uhr nicht beschäftigt werden. Als Ausnahme sieht § 13 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ArbZG vor, dass Arbeitnehmer an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden dürfen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erforderlich machen.

Als Schaden ist jeder Nachteil anzusehen, den der Arbeitgeber aufgrund der besonderen Umstände erleidet, z.B. Schadensersatzansprüche des Kunden, Vertragsstrafen, Verlust von Kunden. Die Beigeladene hat im vorliegenden Fall jedoch nicht substantiiert dargelegt, welcher Schaden zu erwarten und warum dieser unverhältnismäßig ist. Es reicht insoweit nicht aus, dass sie bei ausbleibender Sonntagsarbeit gegenüber ihren Lieferanten für nicht angenommene Ware und gegenüber Kunden für nicht rechtzeitig gelieferte Ware haftet. Auch ihre pauschale Angabe eines möglichen Kundenverlusts kann keine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit rechtfertigen.

Die Beklagte hätte den Sonn- und Feiertagsschutz in seinem Geschäftsmodell berücksichtigen und anders planen müssen. Es darf sich nicht durch Lieferversprechen vom Sonntagsarbeitsverbot einfach freisprechen. Ein lediglich wirtschaftliches Umsatzinteresse des Unternehmens und ein täglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse der Kunden genügen nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsrechtlich unmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertagsarbeit zu rechtfertigen.

Zudem ist die Sonntagsarbeit auch nicht erforderlich gewesen, denn man hätte die Abfertigung der erhöhten Bestellmenge in andere Logistikzentren auslagern und so eine Verteilung vornehmen können. Es müssen erst alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen werden bevor eine Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot infrage kommt.

VG Kassel PM Nr. 3/2017 vom 13.6.2017
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