10.06.2014

Verstoß einer Kündigung gegen die EMRK begründet nicht automatisch einen Wiedereinstellungsanspruch

Hat das Europäische Gericht für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass eine Kündigung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt, so kann der Arbeitnehmer zwar grds. einen Wiedereinstellungsanspruch haben. Ein solcher Anspruch besteht aber nicht automatisch. Vielmehr hat eine Abwägung mit dem ebenfalls von der EMRK geschützten Rechtsgut der Rechtssicherheit stattzufinden.

LAG Düsseldorf 5.6.2014, 11 Sa 1484/13
Der Sachverhalt:

Der Kläger war als Kirchenmusiker bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde beschäftigt gewesen. Die Gemeinde hatte ihm gekündigt, weil er seinerzeit eine außereheliche Beziehung unterhalten hatte. Inzwischen ist er geschieden. Nachdem seine gegen die Kündigung gerichtete Klage vor deutschen Gerichten keinen Erfolg gehabt hatte, hatte der EGMR am 23.9.2010 entschieden, dass die Kündigung den Kläger in seinem Recht aus Art. 8 EMRK auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.

Die vom Kläger sodann angestrengte Wiederaufnahme des ursprünglichen Kündigungsschutzverfahrens blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Mit Urteil vom 28.6.2012 sprach der EGMR dem Kläger eine Entschädigung von 40.000 Euro wegen Verletzung von Art. 8 EMRK zu.

Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger Wiedereinstellung bei der Kirchengemeinde zum 23.9.2010, hilfsweise ab Zustellung der Klage. Das LAG wies die Klage ab, ließ allerdings wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die beklagte Kirchengemeinde keinen Anspruch auf Wiedereinstellung.

Zwar kommt bei einem festgestellten Verstoß gegen die EMRK ein Wiedereinstellungsanspruch grds. in Betracht. Diesen hat der Kläger auch rechtzeitig geltend gemacht. Der Anspruch ist zudem durch die gezahlte Entschädigung nicht ausgeschlossen. Aus einem festgestellten Verstoß gegen die EMRK und dessen Fortwirkung ergibt sich aber nicht automatisch ein Anspruch auf Wiedereinstellung. Vielmehr hat eine Abwägung mit dem ebenfalls von der EMRK geschützten Rechtsgut der Rechtssicherheit stattzufinden.

Im Streitfall fällt die gebotene Abwägung zugunsten der Rechtssicherheit und damit zugunsten der Beklagten aus. Hierfür sprach zunächst der lange Zeitablauf seit der Kündigung, deren Rechtmäßigkeit in Deutschland schon im Jahr 2000 höchstrichterlich festgestellt worden war. Weiter war zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber den Restitutionsgrund der Feststellung einer Verletzung der EMRK für das Verfahren des Klägers noch nicht vorgesehen hatte. Hinzu kommt die weitere Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, die vom LAG rechtskräftig abgewiesen und vom Kläger mit keinem weiteren Rechtsmittel angegriffen worden ist.

LAG Düsseldorf PM vom 5.6.2014
Zurück