26.09.2016

Anforderungen an die Übertragung auf den Einzelrichter

Bleibt die Klagebegründung z.B. trotz einer Fristsetzung nach § 79b FGO aus, kann eine Übertragung auf den Einzelrichter sachgerecht sein. Anders ist es jedoch, wenn der Kläger einen Antrag nach § 86 Abs. 1 FGO stellt und ausdrücklich angekündigt, die Klage nach Aktenvorlage zu begründen.

BFH 21.7.2016, V B 66/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte mit ihrer beim FG im November 2012 eingegangenen Klage geltend gemacht, dass der ihr erteilte Umsatzsteuerbescheid 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung nebst des hierzu ergangenen Zinsbescheides ebenso rechtswidrig sei wie die Ablehnung des Billigkeitsantrags. Zur Erstellung der Klagebegründung hatte sie Akteneinsicht beantragt, die ihr auch gewährt wurde. Das Finanzamt teilte ihr allerdings mit, dass es nur seine eigenen Akten, nicht aber auch die Akten anderer Behörden übersende.

Daraufhin beantragte die Klägerin gem. § 86 FGO, die Oberfinanzdirektion (OFD), das Landesministerium für Finanzen und Wirtschaft und das Bundesfinanzministerium zur Vorlage der Akten aufzufordern, die das Verfahren der Klägerin, insbesondere den Billigkeitsantrag der Klägerin, betrafen. Zur Begründung wies die Klägerin darauf hin, dass diese Oberbehörden an der Entscheidung über ihren Billigkeitsantrag beteiligt gewesen seien.

Das FG beschloss die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter gem. § 6 FGO. Aufgrund der mündlichen Verhandlung wies das FG die Klage gegen den Zinsbescheid als unzulässig und die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück.

Gründe:
Die Voraussetzungen des absoluten Revisionsgrundes gem. § 119 Nr. 1 FGO waren gegeben, da das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

Die Übertragung eines Rechtsstreits auf den Einzelrichter nach § 6 FGO kann zu einem Besetzungsmangel i.S.d. § 119 Nr. 1 FGO führen. Dies kommt bei einer willkürlichen Übertragung auf den Einzelrichter in Betracht. Hierfür reicht es nicht aus, wenn der Rechtsstreit auf den Einzelrichter bereits vor dem Eingang der letzten Schriftsätze übertragen wird. Denn der Senat kann über die Übertragung schon dann entscheiden, wenn er sich ein hinreichendes Urteil über den Fall bilden kann. Hierfür genügt nach allgemeiner Auffassung der Eingang von Klagebegründung, Klageerwiderung und Steuerakten.

Im vorliegenden Fall hatte der Senat des FG den Rechtsstreit auf den Einzelrichter bereits vor dem Eingang der Klagebegründung übertragen. Unerheblich war, ob bereits jegliche Übertragung auf den Einzelrichter als Verstoß gegen § 6 FGO i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO anzusehen ist. Bleibt die Klagebegründung z.B. trotz einer Fristsetzung nach § 79b FGO aus, kann eine Übertragung auf den Einzelrichter sachgerecht sein. Anders war es jedoch hier, da die Klägerin einen Antrag nach § 86 Abs. 1 FGO gestellt und ausdrücklich angekündigt hatte, die Klage nach Aktenvorlage zu begründen.

Folge der Unwirksamkeit der Einzelrichterübertragung war somit, dass weiterhin der Vollsenat als der für die Entscheidung des Streitfalls zuständige gesetzliche Richter anzusehen war. Infolgedessen war es angemessen, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit einer Zurückverweisung des vom FG dem Einzelrichter übertragenen Rechtsstreits an den Vollsenat Gebrauch.

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