27.05.2015

Auf Nachweise der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen nach § 64 EStDV kann nicht verzichtet werden

Im Fall von psychotherapeutischen Behandlungen und der medizinisch erforderlichen auswärtigen Unterbringung eines an einer Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen setzt die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen voraus, dass die in § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV aufgeführten Nachweise erbracht werden. Diese Nachweise können insbesondere nicht durch andere Unterlagen ersetzt werden.

BFH 15.1.2015, VI R 85/13
Der Sachverhalt:
Der minderjährige Sohn der Kläger war von Februar 2005 bis Juli 2007 wegen der psychischen Erkrankung ADHS mit Schulverweigerung in einem Heim untergebracht. Dort erhielt er eine psychotherapeutische, schulpsychologische Behandlung einschließlich der Beschulung. Die Landeshauptstadt gewährte von Beginn an Jugendhilfe in Form von Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII. Das Kindergeld erhielt die Landeshauptstadt im Wege der Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X. Die Landeshauptstadt setzte gegen den Kläger einen Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII fest. Er musste monatliche Zahlungen zu den Kosten der Heimunterbringung beitragen. Ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lag nicht vor.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 machten die Kläger Aufwendungen i.H.v. 12.741 € einschließlich der Nachzahlungen für 2006 als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Das Finanzamt erkannte nur einen geringen Teil der geltend gemachten Aufwendungen an. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Kläger vor dem BFH blieb erfolglos.

Gründe:
Da es an einem den Anforderungen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV genügenden Nachweis fehlte, haben die Kläger die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen dem Grunde nach nicht nachgewiesen. Das FG hat daher die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011).

Ein solcher qualifizierter Nachweis war - aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 - auch im Streitjahr 2007 bei krankheitsbedingten Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen und die medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen zu erbringen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1b bzw. c EStDV). Ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lag im vorliegenden Fall allerdings nicht vor.

Im Verfahren der Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII war ein den Anforderungen des § 64 EStDV entsprechender Nachweis nicht einzuholen. Zwar sieht § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII vor, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme eines besonders qualifizierten Arztes oder Psychotherapeuten einholt. Da § 64 EStDV den Senat jedoch dahingehend gebunden hat, dass auf die dort vorgesehenen Nachweise nicht verzichtet werden kann und sie nicht durch andere Unterlagen ersetzt werden können, konnte offenbleiben, ob im Streitfall eine solche Stellungnahme vorgelegen hatte.

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