22.10.2014

Grundsätzlich kein ermäßigter Steuersatz für Personenbeförderungsleistungen

Die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Personenbeförderungsleistungen im Nahverkehr mit Taxen ist grundsätzlich unionsrechtskonform, obwohl entsprechende Leistungen mit Mietwagen nicht von der Vergünstigung erfasst sind, sondern nach § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz unterliegen. Die Rechtslage kann aber anders zu beurteilen sein, wenn von einem Mietwagenunternehmer durchgeführte Krankenfahrten auf mit Großkunden geschlossenen Sondervereinbarungen beruhen, die auch für Taxiunternehmer gelten.

BFH 2.7.2014, XI R 22/10 u.a.
Der Sachverhalt:
Im Verfahren Az.: XI R 22/10 betrieb die Klägerin seit 1994 ein Mietwagenunternehmen mit Fahrergestellung. Der Leistungskatalog umfasste u.a. Krankentransporte (sitzend), Dialysefahrten, Beförderung von Schülern, Kurierdienste, Hotel- und Flughafentransfers sowie Stadtrundfahrten. Zu ihren Kunden gehörten neben Privatpersonen auch eine Reihe von Dauer- und Großkunden. Aufträge bzw. Vorbestellungen wurden telefonisch bzw. per Telefax oder E-Mail entgegengenommen. Die Fahrpreisgestaltung richtete sich nach einem festen Tarifzonenplan, aus dem sich die Endpreise für die Kunden ergaben. Die Klägerin verfügte in den Streitjahren 2003 bis 2006 über betriebseigene Fahrzeuge.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre berücksichtigte die Klägerin ihre Umsätze bei Beförderungsstrecken von nicht mehr als 50 km bzw. innerhalb der Stadt mit dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Das Finanzamt unterwarf diese Umsätze allerdings dem Regelsteuersatz (16 %). Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage im Wesentlichen ab.

Im Verfahren Az.: XI R 39/10 verfügte die Klägerin zwar über eine Genehmigung für den Verkehr mit Mietwagen, aber nicht über eine Genehmigung für den Verkehr mit Taxen. In den Streitjahren 2006 und 2007 führte sie im Auftrag von Krankenkassen Krankenfahrten mit hierfür nicht besonders eingerichteten Fahrzeugen durch. Mit der Krankenkasse A. hatte sie dabei Sondervereinbarungen abgeschlossen, die gleichermaßen für Taxiunternehmer galten.

Die Klägerin begehrte für diese Fahrten eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG. Das Finanzamt ging nicht darauf ein. Die hiergegen gerichtete Klage blieb diesbezüglich erfolglos.

Auf die Revisionen der Klägerinnen setzte der BFH die Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 12 Abs. 3a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 98 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Kategorie 5 MwStSystRL unter Beachtung des Neutralitätsprinzips einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Beförderung von Personen im Verkehr mit Taxen im Nahverkehr den ermäßigten Umsatzsteuersatz vorsieht, wohingegen für die Beförderung von Personen mit sog. Mietwagen im Nahverkehr der Regelsteuersatz gilt.

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 27.2.2014 in den verbundenen Rechtssachen C-454/12 (Pro Med Logistik GmbH) und C-455/12 (Eckard Pongratz) beantwortet. Daraufhin hat der BFH im Verfahren XI R 22/10 die Revision abgewiesen und im Verfahren XI R 39/10 die Sache an das FG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Das FG hatte im Verfahren XI R 22/10 zu Recht entschieden, dass die Mietwagenumsätze nicht mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern waren.

Die Beschränkung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Personenbeförderungsleistungen mit Taxen entspricht im Hinblick auf die Vorgaben des EuGH den Richtlinienbestimmungen und stellt insoweit auch keine Verletzung des Neutralitätsgebots dar. Denn der nationale Gesetzgeber ist berechtigt, die Personenbeförderung im Nahverkehr per Taxi als öffentliche Dienstleistung, die besonderen Verpflichtungen unterliegt - u.a. Betriebspflicht, allgemeine Beförderungspflicht und Beachtung festgelegter Beförderungsentgelte - mit der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zu begünstigen.

Im Verfahren XI R 39/10 reichten die bislang vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht aus, um eine abschließende Entscheidung zur Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die streitbefangenen Umsätze zu treffen.

Entsprechend den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 27.2.2014 (Rz. 61 - 64) kann die grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage anders zu beurteilen sein, wenn von einem Mietwagenunternehmer durchgeführte Krankentransporte auf mit Krankenkassen geschlossenen Sondervereinbarungen beruhen, die gleichermaßen für Taxiunternehmer gelten. Denn in einem solchen Fall ist das Beförderungsentgelt in der Vereinbarung festgelegt und es gibt auch keine über diesen Vertrag hinausgehende Beförderungs- und Betriebspflicht.

Da sich dem Sachverhalt bislang u.a. aber nicht entnehmen ließ, ob und in welchem Umfang die Klägerin ihre Leistungen im streitbefangenen Zeitraum auf der Grundlage eines derartigen Vertrages erbracht hatte, muss das FG die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen nun im zweiten Rechtsgang nachholen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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BFH PM Nr. 70 vom 22.10.2014
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