09.12.2016

Mietzuschuss: Zum Fehlen konstitutiver Merkmale eines Gelddarlehens

Ist die Rückzahlungsverpflichtung vom Eintritt einer Bedingung dergestalt abhängig, dass nicht nur der Zeitpunkt der Rückzahlung ungewiss ist, sondern auch, ob die Verpflichtung zur Rückgewähr unbedingt entsteht, und trägt hierfür der Darlehensgeber das wirtschaftliche Risiko, führt die Hingabe des Geldes beim Empfänger zu einer Einnahme.

BFH 12.7.2016, IX R 56/13
Der Sachverhalt:
Die klagende vermögensverwaltende KG betreibt und verwertet gewerbliche Immobilien. Im August 1992 erwarb sie ein Grundstück zu dem Zweck, hierauf ein Bürohaus zu errichten. Im September 1992 schloss die Klägerin mit der B-GmbH einen Generalübernehmervertrag, mit dem dieser die schlüsselfertige Erstellung des Gebäudes übertragen wurde. Die B-GmbH erhielt zudem den Auftrag zur Erstvermietung des Gebäudes und übernahm eine Zinsgarantie. Im November 1994 teilte die B-GmbH der Klägerin (auszugsweise) mit:

"Das Bürohaus, wird im Dezember dieses Jahres bezugsfertig. Nach jetziger Einschätzung der Vermietungssituation in D gehen wir als mit der Erstvermietung beauftragte Gesellschaft davon aus, dass erst im Laufe des kommenden Jahres eine Vollvermietung des Fondsobjektes erreicht werden kann. Die B-GmbH stellt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für das Jahr 1995 eine Ausschüttung i.H.v. 2,5 Prozent - dies sind 50 Prozent der prospektierten Ausschüttung - durch Gewährung eines Mietzuschusses sicher."

Im November 1995 überwies die B-GmbH der Klägerin einen Betrag i.H.v. rd. 4,6 Mio. DM. Ein Restbetrag wurde im Jahr 1996 durch Verrechnung mit Forderungen der B-GmbH gezahlt. Im Juni 1996 schloss die Klägerin mit der B-GmbH eine Vereinbarung über die vorzeitige Tilgung des Darlehens. Mit der Rückzahlung eines Betrags von rd. 2,7 Mio. DM sollte danach das gewährte zinslose Darlehen i.H.v. insgesamt rd. 5,1 Mio. DM als in vollem Umfang getilgt gelten. Im August 1996 zahlte die Klägerin den vereinbarten Betrag an die B-GmbH. Die Klägerin behandelte die 1995 von der B-GmbH erhaltene Zuwendung als einkommensneutralen Darlehenszufluss. Das Finanzamt wertete die Zuwendung hingegen als steuerpflichtige Garantieleistung für im Streitjahr entgangene Mieteinnahmen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat die von der B-GmbH geleistete Zuwendung über rd. 4,6 Mio. DM im Ergebnis zu Recht als Einnahme der Klägerin im Rahmen ihrer Vermietungstätigkeit erfasst.

Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i.S.v. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Vermietungstätigkeit als Gegenleistung für die zeitliche Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zufließen. Für die Beurteilung, ob die Zuwendung des Dritten als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu werten ist, ist maßgebend auf den wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Vereinbarung/en abzustellen, wie er sich nach dem Gesamtbild der gestalteten Verhältnisse des Einzelfalls unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ergibt.

Jedenfalls in Fällen, in denen es an den typischen Merkmalen eines Darlehens fehlt, ist die Zuwendung bei Vorliegen der zuvor genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt ihres Zuflusses (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG) als steuerpflichtige Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Konstitutives Merkmal eines Gelddarlehens ist die Überlassung der Valuta auf Zeit. Hieran fehlt es, wenn die Pflicht zur Rückgewähr der Zuwendung vom Eintritt einer Bedingung dergestalt abhängig ist, dass nicht nur der Zeitpunkt der Rückzahlung ungewiss ist, sondern auch, ob die Verpflichtung zur Rückgewähr unbedingt entsteht. Dies gilt umso mehr, wenn der Zuwendungsgeber neben dem Bonitätsrisiko, dem Wesen eines Darlehensvertrags widersprechend, auch das wirtschaftliche Risiko für das Entstehen der Rückgewährschuld übernimmt, weil der Eintritt der Rückzahlungsverpflichtung von Umständen abhängt, die der Zuwendungsempfänger maßgeblich beeinflussen kann.

Denn in einem solchen Fall ist die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich erhöht, weil der erhaltenen Zuwendung keine wirtschaftlich gleichwertige Rückzahlungsverpflichtung gegenübersteht. Eine wirtschaftliche Saldierung mit einer solchen, lediglich latenten, Rückzahlungsverpflichtung ist nicht möglich. Erhält der Steuerpflichtige diese Zuwendung anstelle entgangener oder entgehender Mieteinnahmen, ist sie durch die Vermietungstätigkeit veranlasst. Nach diesen Grundsätzen ist das FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die von der B-GmbH geleistete Zuwendung i.H.v. rd. 4,6 Mio. DM als Einnahme der Klägerin im Rahmen ihrer Vermietungstätigkeit zu erfassen ist.

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