09.10.2015

Stellen die Kosten für die künstliche Befruchtung einer unfruchtbaren lesbischen Frau außergewöhnliche Belastungen dar?

Die Kosten für die künstliche Befruchtung einer unfruchtbaren Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, stellen keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG dar. Die Kinderlosigkeit ist in einem solchen Fall nicht unmittelbare und ausschließliche Folge einer krankheitsbedingten Unfruchtbarkeit; vielmehr ist sie zugleich maßgeblich darin begründet, dass eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft vorliegt, in der die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen ist.

FG Münster 23.7.2015, 6 K 93/13 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin lebte im Streitjahr 2011 mit einer Frau in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft in Deutschland. Eine eingetragene Partnerschaft bestand damals noch nicht. Die Klägerin konnte aufgrund einer primären Sterilität (Unfruchtbarkeit) ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Im Jahr 2011 ließ die Klägerin in einer Klinik in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders durchführen. Die dänische Klinik unterlag der Kontrolle dänischer Gesundheitsbehörden.

Die Kosten von insgesamt rund 8.498 € erklärte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 2011 als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen nicht. Die Klägerin war deshalb der Ansicht, es liege eine Ungleichbehandlung zwischen Frauen, die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebten, und Frauen, die in verschiedengeschlechtlicher Partnerschaft lebten, vor. Hierin sei ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen.

Das FG wies die Klage ab. Allerdings ließ es wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BFH zu.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte zu Recht die Aufwendungen der Klägerin nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.

Zwar geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Der BFH ordnet insoweit die organisch bedingte Sterilität eines verschiedengeschlechtlichen Partners als Krankheit ein. Demgegenüber kommt der Kinderlosigkeit eines Paares nicht selbst Krankheitswert zu. Insofern stellen Aufwendungen, die einem - verschiedengeschlechtlichen - Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Fall organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, keine Krankheitskosten i.S.d. Rechtsprechungsgrundsätze dar. Denn zum einen liegt weder eine medizinische Leistung vor noch kann der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt werden. Zum anderen betreffen die Aufwendungen nicht einen Bereich der Lebensführung, der der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist.

Überträgt man diese Rechtsgrundsätze auf den Streitfall, sind die Kosten, die der Klägerin für die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft entstanden sind, nicht als Aufwendungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG anzusehen. Zwar war die Klägerin wegen einer primären Sterilität empfängnisunfähig. Die durchgeführte IVF war aus medizinischer Sicht auch erforderlich, um eine Schwangerschaft herbeizuführen. Die IVF stellt eine Heilbehandlung dar. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz waren nicht ersichtlich. Die Klinik in Dänemark unterlag schließlich der Kontrolle dänischer Gesundheitsbehörden.

Jedoch fehlte es an der für die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung erforderlichen Zwangsläufigkeit zwischen der Krankheit der Klägerin und den geltend gemachten Kosten. Denn die Kinderlosigkeit der Klägerin war nicht unmittelbare und ausschließliche Folge ihrer krankheitsbedingten Unfruchtbarkeit. Vielmehr war die Kinderlosigkeit der Klägerin zugleich maßgeblich darin begründet, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, in der die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen ist. Der Kinderwunsch des Paares hätte sich ohne Verwendung von Samenzellen eines Spenders selbst dann nicht erfüllt, wenn die Klägerin empfängnisfähig gewesen wäre und auf natürlichem Wege hätte schwanger werden können. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG lag nicht vor, weil die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber in verschiedengeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frauen wegen der unterschiedlichen biologischen Ausgangslage und den sich daraus ergebenden Folgen (Vorrang der Krankheitsbehandlung einerseits, Vorrang der Realisierung des Kinderwunsches andererseits) gerechtfertigt war.

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