20.08.2014

Zum Abgeltungsteuersatz bei Darlehen zwischen Angehörigen

Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 25 % (sog. Abgeltungsteuersatz) ist nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG ausgeschlossen ist, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S.d. § 15 AO sind. Diese einschränkende Auslegung des Ausschlusstatbestands entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

BFH 29.4.2014, VIII R 9/13
Der Sachverhalt:
In dem Verfahren VIII R 9/13 hatten die verheirateten Kläger in den Jahren 2007 und 2008 ihrem Sohn und ihren Enkeln, fest verzinsliche Darlehen zur Anschaffung von fremd vermieteten Immobilien durch die Darlehensnehmer gewährt. Die Kläger erzielten im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge i.H.v. insgesamt 28.812 €. Das Finanzamt berücksichtigte diese Zinserträge als Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Die Kläger machten hingegen geltend, dass der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 25 % Anwendung finde (§ 32d Abs. 1 EStG).

In dem Verfahren VIII R 44/13 hatte der Kläger seiner Ehefrau und seinen Kindern im Jahr 2008 fest verzinsliche Darlehen gewährt. Diese dienten der Anschaffung eines an fremde Dritte vermieteten Gebäudes. Der Erwerb und die Vermietung des Gebäudes erfolgten durch eine von den Darlehensnehmern gegründete GbR. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge i.H.v. insgesamt 10.392 e, die das Finanzamt nicht mit dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG, sondern mit dem tariflichen Einkommensteuersatz nach § 32a EStG besteuerte.

Im Verfahren VIII R 35/13 hatte die Klägerin ihrem Bruder den Kaufpreis für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen gestundet. Der Kaufpreis war ab dem Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft zu verzinsen. Die jeweiligen Finanzämter besteuerten die Kapitalerträge mit der tariflichen Einkommensteuer: Der niedrigere Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG sei nicht anzuwenden, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge "einander nahe stehende Personen" seien.

In allen Verfahren hatten sich die jeweiligen FG den Auffassungen der Finanzämter angeschlossen und die Klagen abgewiesen. Auf die Revisionen der Kläger hob der BFH die erstinstanzlichen Urteile auf und gab sämtlichen Klagen statt.

Die Gründe:
In allen Streitfällen sind die Kapitalerträge der Darlehensgeber gem. § 32d Abs. 1 EStG nach dem günstigeren Abgeltungsteuersatz zu besteuern. Zwar ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge "einander nahe stehende Personen" sind. Der gesetzliche Tatbestand ist nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein solches Näheverhältnis nur dann vorliegt, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht.

Infolgedessen ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG zu begründen. Eine enge Auslegung des Ausschlusstatbestandes ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Hält der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich stand, kann nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles ein Gesamtbelastungsvorteil entsteht, da Ehe und Familie bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft begründen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: VIII R 9/13 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: VIII R 44/13 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: VIII R 35/13 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 59 vom 20.8.2014
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