04.05.2015

Zum Merkmal "Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer" in § 3 Abs. 8 UStG

Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG ist die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird, ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist. Als Vertreter "für Rechnung" eines anderen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 ZK handelt nicht, wer in eigener Person alle etwaig anfallenden Steuern und sonstige Kosten trägt und sein Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt wirtschaftlich auswirkt.

BFH 29.1.2015, V R 5/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im Streitjahr 2007 umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der in Deutschland ansässigen X-GmbH und der Y-GmbH. Zu ihrem Konzern gehörte auch die in der Schweiz geschäftsansässige B-AG, eine Enkelgesellschaft der Klägerin. Die Y-GmbH, bzw. die Betriebsabteilung "C", führte das Buchgeschäft in eigenem Namen, aber für Rechnung, im Interesse und auf Risiko der X-GmbH. Die Y-GmbH schloss die Verträge mit den Kunden von "C" ab und belieferte die Kunden im Versandhandel mit Schallplatten, CD's, Videokassetten, Büchern und Ähnlichem.

Wie in den Vorjahren versandte "C" auch im Jahr 2007 Kataloge an die Kunden, aus denen diese vierteljährlich mindestens einen Artikel per Bestellkarte bestellen mussten. Unterblieb die Bestellung, versandte "C" an die Kunden für das Vierteljahr einen sog. Hauptvorschlag. Nachdem bis April 1998 die Belieferung der Kunden vom inländischen Zentrallager aus durchgeführt wurde, erfolgte die Versendung danach für ganz Europa aus der Schweiz. Die Deutsche Post AG holte die Ware aus der Schweiz ab und erledigte die Zollformalitäten. Dies geschah, indem sie an der Grenze dem deutschen Zoll einen von der Y-GmbH nicht auf amtlichem Vordruck gefertigten "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" vorlegte. Dies entsprach einem zwischen der Deutschen Post AG und dem deutschen Zollamt abgestimmten Verfahren.

Später stritt die Klägerin mit dem Finanzamt darüber, ob die Lieferung von Waren (Bücher, CD's) mit einem Warenwert von bis zu 22 € aus einem in der Schweiz gelegenen Auslieferungslager an im Inland ansässige Kunden nach § 3 Abs. 8 UStG 2005 im Inland steuerbar war. Die Finanzbehörde bejahte dies. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.

Gründe:
Die Lieferungen der Y-GmbH aus der Schweiz an ihre deutschen Kunden waren gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Klägerin zuzurechnen und unterlagen im Inland der Umsatzsteuer. Die streitigen Umsätze waren gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar, weil der Ort der Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG im Inland lag.

Wird - wie hier - der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung gem. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten, vorliegend somit mit der Abholung der Gegenstände vom Logistikzentrum in der Schweiz.

Abweichend von § 3 Abs. 6 UStG bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG, wenn der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung aus einem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. In diesem Fall gilt der Ort der Lieferung als im Inland gelegen. Dass Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich anfällt, ist nicht entscheidend. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gem. § 5 UStG steuerfrei sind. Der Annahme einer Lieferung im Inland stand hier daher nicht entgegen, dass die Lieferungen der Klägerin gem. § 1a der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung vom 11.8.1992 nicht der Einfuhrumsatzsteuer unterlagen, weil es sich um Sendungen von Waren mit geringem Wert i.S.d. Art. 27 der VO (EWG) Nr. 918/83 handelte, deren Gesamtwert je Sendung 22 € nicht überstieg.

Die Klägerin lieferte die Waren aus der Schweiz, einem Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a S. 3 UStG). Sie gelangten bei der Versendung in das Inland (§ 1 Abs. 2 S. 1 UStG). Die Klägerin war auch "Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer". Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bestimmt sich gem. § 13a Abs. 2 UStG i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG nach den Vorschriften über die Zölle. Auch an der unionsrechtlichen Auslegung des Begriffs der Vertretung unabhängig von den verschiedenen Sprachfassungen des Art. 5 ZK gab es keine Zweifel. Die Klägerin hatte nicht für Rechnung der Empfänger gehandelt. Denn als Vertreter "für Rechnung" eines anderen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 ZK handelt nicht, wer in eigener Person alle etwaig anfallenden Steuern und sonstige Kosten trägt und sein Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt wirtschaftlich auswirkt.

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