21.08.2014

Zum Realisierungszeitpunkt eines Auflösungsverlusts bei insolvenzfreier Liquidation mit Nachtragsliquidation

Maßgebender Realisierungszeitpunkt des nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlusts ist auch im Fall einer Nachtragsliquidation derjenige, in dem mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter und mit einer wesentlichen Änderung der durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen nicht mehr zu rechnen ist. Fallen im Rahmen der Nachtragsliquidation Aufwendungen an, die nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind, handelt es sich um ein nachträgliches Ereignis, das auf den Zeitpunkt der Auflösung zurückzubeziehen ist.

BFH 1.7.2014, IX R 47/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der X-GmbH. Für diese wurde im Januar 1998 der Beschluss zur Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Zum Liquidator wurde der Kläger bestellt. Nach insolvenzfreier Auflösung wurde am 1.11.2001 die Beendigung der Liquidation der GmbH im Handelsregister eingetragen und die Gesellschaft gelöscht. Im Jahr 2003 machten mehrere Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentumsanlage, die von der X-GmbH in den Jahren 1997 und 1998 errichtet worden war, gegen die Gesellschaft Gewährleistungsansprüche wegen Baumängeln geltend und beantragten die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens beim LG.

Als Gläubiger der X-GmbH veranlassten die Wohnungseigentümer die Anordnung einer Nachtragsliquidation, da die Wohnungseigentümergemeinschaft die Notwendigkeit weiterer Abwicklungsmaßnahmen glaubhaft gemacht hatte. Der Kläger wurde durch Beschluss des AG vom 12.6.2003 zum Nachtragsliquidator der X-GmbH bestellt. In der Folgezeit sind der X-GmbH neben Rechts- und Beratungskosten auch Kosten der Mängelbeseitigung an dem Gebäude entstanden. Die Nachtragsliquidation mündete im Jahr 2005 in einen Vergleich zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern. Nach dessen Erfüllung durch die GmbH wurde die Nachtragsliquidation mit Schreiben an das AG A vom 7.12.2005 für beendet erklärt. Durch Beschluss des AG vom 20.1.2006 wurde die Anordnung der Nachtragsliquidation, die nicht in das Handelsregister eingetragen worden war, aufgehoben.

Am 7.3.2007 wurde für die X-GmbH eine Liquidationsschlussbilanz zum 31.12.2005 erstellt. Der Kläger beantragte die Änderung des unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheids für 2005 (Streitjahr) mit der Begründung, der Auflösungsverlust aus der Liquidation der X-GmbH sei unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens mit 84.082 € steuerlich zu berücksichtigen. Die Höhe des Auflösungsverlusts ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Das Finanzamt lehnte den Ansatz des geltend gemachten Auflösungsverlusts ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG können im Streitjahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Gestalt eines Auflösungsverlusts i.S.d. § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 EStG bei dem Kläger nicht berücksichtigt werden.

Die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG ist nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen. Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Ermittlung eines Auflösungsgewinns oder -verlusts nach § 17 Abs. 4 EStG. Auch bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft ist eine Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung vorzunehmen.

Hinsichtlich der Bestimmung des Zeitpunkts der Gewinn- oder Verlustrealisierung hat der BFH bereits ausgeführt, dass ein Gewinn in dem Jahr zu erfassen ist, in dem das auf die Beteiligung entfallende Vermögen der Gesellschaft verteilt wurde, und dass ein Verlust bereits in dem Jahr erfasst werden kann, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist. Der letztmögliche Zeitpunkt der Erfassung liegt in dem Jahr, in dem die Abwicklung förmlich abgeschlossen ist, mithin im Jahr der Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister und ihrem dadurch eintretenden Ende. Dass nach Veräußerung einer Beteiligung oder nach Auflösung einer Kapitalgesellschaft noch Aufwendungen anfallen können, die nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind, ändert daran nichts.

Ebenso wenig tritt durch eine Nachtragsliquidation an den vorstehend beschriebenen Grundsätzen zu den Zeitpunkten einer Gewinn- oder Verlustrealisierung eine Änderung ein. Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung verbleibt auch im Fall einer Nachtragsliquidation derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert war. Im Fall der Auflösung der Kapitalgesellschaft mit anschließender Liquidation ist dies regelmäßig der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation. Denn dann ist mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter und mit einer wesentlichen Änderung der durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen nicht mehr zu rechnen.

Fallen im Rahmen der Nachtragsliquidation Aufwendungen an, die nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind, handelt es sich um ein nachträgliches Ereignis, das die Höhe des Auflösungsgewinns oder -verlusts beeinflusst und nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt der Auflösung zurückzubeziehen ist. Nach diesen Maßstäben ist vorliegend im Streitjahr 2005 kein Auflösungsverlust aus der Nachtragsliquidation der X-GmbH zu berücksichtigen, weil die Liquidation der GmbH im Jahr 2001 beendet war. Die Beendigung der Liquidation wurde am 1.11.2001 im Handelsregister eingetragen und die Gesellschaft gelöscht. Mit einer wesentlichen Änderung der den Auflösungsverlust bestimmenden Faktoren war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu rechnen.

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