01.09.2015

Zum Vertrauensschutz für Bauleistende

Bei fehlender Umkehr der Umsatzsteuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) können einer Inanspruchnahme des Bauleistenden Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen. Demnach darf bei der Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass der UStAE vom BFH als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend angesehen wurde.

FG Münster 12.8.2015, 15 V 2153/15 U
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin erbrachte Bauleistungen gegenüber einem Bauträger, der eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebaute. In ihrer Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 gab die Antragstellerin an, umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung erbracht zu haben, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde.

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung im Jahr 2015 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die frühere Erlasslage aufgrund der zwischenzeitlich geänderten BFH-Rechtsprechung (BFH 22.8.2013, V R 37/10) nicht mehr maßgeblich sei. Gegen den entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 berief sich die Antragstellerin auf Vertrauensschutz.

Das FG gab dem Antrag statt. Die Beschwerde zum BFH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids.

Die einschlägige abgabenrechtliche Vertrauensschutzvorschrift des § 176 Abs. 2 AO bestimmt, dass bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden darf, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Das gilt vorliegend auch für die geänderte BFH-Rechtsprechung, wonach der UStAE als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend angesehen wurde.

Auch die umsatzsteuerliche Übergangsvorschrift, die die Anwendung des § 176 AO in derartigen Fällen ihrem Wortlaut nach ausschließt (§ 27 Abs. 19 S. 2 UStG), ermöglicht nicht zwingend eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung. Es bestehen Zweifel, ob die Übergangsvorschrift eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung entfaltet, weil sie nachträglich in eine bestehende Umsatzsteuerschuld eingreift. Möglicherweise ist die Übergangsregelung außerdem mit den europarechtlichen Vorgaben der Klarheit und Voraussehbarkeit von Rechtsvorschriften unvereinbar.

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FG Münster PM vom 1.9.2015
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