23.04.2014

Zur steuerfreien Lieferung von sog. Pocket-Bikes

§ 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG erfasst nur solche motorbetriebenen Landfahrzeuge, die zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind. Zur Personenbeförderung bestimmt sind auch solche Fahrzeuge, die von den Erwerbern für Sport- oder Freizeitzwecke verwendet werden.

BFH 27.2.2014, V R 21/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin handelt mit Pocket-Bikes. Das sind Motorräder, Motorroller, Cross-Bikes und Quads in Miniaturausgabe. Sie können bis 24 kg schwer sein und die Sitzhöhe liegt etwa bei 40 bis 50 cm. Die Motorisierung besteht aus einem Einzylinder-Zweitaktmotor, die Höchstgeschwindigkeit liegt teilweise über 70 km/h. Die von der Klägerin gelieferten Pocket-Bikes sind in Deutschland nicht für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen.

Im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2006 und ihrer Jahressteuererklärung 2006 behandelte die Klägerin die Lieferung der Pocket-Bikes an Privatpersonen in das übrige Gemeinschaftsgebiet als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte das Finanzamt dagegen die Steuerbefreiung für diese Lieferungen und setzte entsprechend erhöht Umsatzsteuer fest. Die Bikes seien nicht für den Personentransport bestimmt, sondern könnten nur für sportliche Zwecke und zum Umherfahren auf privatem Gelände genutzt werden.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG hat die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Lieferung von Pocket-Bikes zu Unrecht abgelehnt.

Die von der Klägerin vertriebenen Pocket-Bikes wurden unstrittig in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG) und unterliegen dort gemäß Art. 28a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG sowie der nationalen Umsetzungsnorm in den jeweiligen Mitgliedstaaten der Umsatzbesteuerung (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Dass die Gegenstände dort tatsächlich besteuert werden, ist nicht erforderlich. Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht der Steuerbefreiung nicht entgegen.

Bei den Pocket-Bikes handelt es sich auch um "neue Fahrzeuge" i.S.v. § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 2c i.V.m. § 1b UStG. Als Fahrzeug definiert § 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG "motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubik-zentimetern oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt". Wie das FG festgestellt hat, liegen diese technischen Voraussetzungen im Streitfall vor. Zwar erfasst die Steuerfreiheit bei unionsrechtskonformer Auslegung nur motorbetriebene Landfahrzeuge, die zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind. Darunter fallen aber auch solche Fahrzeuge, die lediglich für Sport- oder Freizeitzwecke verwendet werden.

Da für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Fahrzeugen nicht auf das Motiv und den wirtschaftlichen Sinn ihres Einsatzes abzustellen ist, sondern auf ihre tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, ist es nicht entscheidungserheblich, ob und ggf. in welchem Umfang die Pocket-Bikes auch oder nur zur Durchführung sportlicher Wettkämpfe oder zum Umherfahren auf privatem Gelände genutzt werden. In beiden Fällen geht es um Ortsveränderungen mittels eines Fahrzeugs. Dass die Pocket-Bikes für Erwachsene unbequem sind, spricht nicht gegen ihre Bestimmung zur Ortsveränderung.

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BFH PM Nr. 31 vom 23.4.2014
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