29.06.2015

AGB: Zur Verlängerung der Frist für die Verjährung einer Bürgschaftsforderung von drei Jahren auf fünf Jahre

Die Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren gehört zwar zu den wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts, sodass bei einer Abweichung davon in AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen ist. Diese Vermutung ist aber widerlegt, wenn die betreffende Klausel auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Kunden nicht unangemessen benachteiligt.

BGH 21.4.2015, XI ZR 200/14
Der Sachverhalt:
Die klagende Bank nimmt den Beklagten aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft auf Zahlung von 10.000 € in Anspruch. Der Beklagte übernahm am 15.8.2007 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft bis zu einem Betrag von 10.000 € für bestehende, künftige und bedingte Forderungen der Klägerin gegen die K-GmbH (Hauptschuldnerin). Nach Ziff. 2.3 der von der Klägerin gestellten Bürgschaftsurkunde sollte die Bürgschaft mit den Forderungen der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin oder im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin fällig werden. In der Urkunde war unter Nr. 3.8 weiter angeordnet: "Die Ansprüche aus der Bürgschaft verjähren nach Ablauf von fünf Jahren beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem diese Ansprüche fällig werden."

Am 26.11.2008 kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung zur Hauptschuldnerin, was sie dem Beklagten am darauffolgenden Tag mitteilte. Am 16.12.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hauptschuldnerin eröffnet. Mit Schreiben vom 16.7.2009 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos auf, aufgrund der übernommenen Bürgschaft den aktuellen Kreditsaldo der Hauptschuldnerin i.H.v. rd. 7.200 € auszugleichen. Am 7.1.2010 erklärte der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin in Höhe eines weiteren Betrags von rd. 2.800 € die insolvenzrechtliche Anfechtung wegen inkongruenter Deckung, da in dieser Höhe der negative Saldo auf dem Girokonto der Hauptschuldnerin durch Zahlungseingänge zurückgeführt worden sei. Die Klägerin zahlte diesen Betrag an den Insolvenzverwalter und verlangte wiederum vergeblich dessen Erstattung von dem Beklagten bis 7.12.2011.

Die Klägerin beantragte am 2.12.2009 Mahnbescheid über 7.200 € nebst Zinsen, der am 3.12.2009 erlassen und am 31.3.2011 dem Beklagten zugestellt wurde. Nach Widerspruch des Beklagten begründete sie mit Schriftsatz vom 4.2.2013, der am folgenden Tag bei Gericht einging und dem Beklagten am 23.2.2013 zugestellt wurde, ihren Anspruch und beantragte unter Erweiterung der Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 10.000 € nebst Zinsen.

Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten änderte das OLG die Verurteilung des Beklagten in einem Teil der Zinsforderung ab. Im Übrigen wies es die Berufung zurück. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach § 765 Abs. 1 BGB aus der von diesem übernommenen Bürgschaft ein Anspruch auf Zahlung von 10.000 € zu, dem nicht die rechtshemmende Einrede der Verjährung entgegensteht.

Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft nicht nur den bei Kündigung der Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin auf deren Girokonto bestehenden negativen Saldo von rd. 7.200 € umfasst, sondern auch den infolge der insolvenzrechtlichen Anfechtung von der Klägerin zurückbezahlten Betrag von rd. 2.800 €. Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach § 214 Abs. 1 BGB verjährt. Die Verlängerung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem die Bürgschaftsforderung fällig geworden ist, ist wirksam. Diese AGB-Regelung verstößt nicht gegen zwingendes Recht und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Die danach maßgebliche fünfjährige Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt des Eingangs der Anspruchsbegründung bei Gericht sowie deren Zustellung noch nicht abgelaufen.

Nr. 3.8 der Bürgschaftsbedingungen ist nicht gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie den Beklagten nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren gehört zwar zu den wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts, sodass bei einer Abweichung davon in AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen ist. Diese Vermutung ist aber widerlegt, wenn wie hier die betreffende Klausel auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Kunden nicht unangemessen benachteiligt.

In der BGH-Rechtsprechung sind formularmäßige Verlängerungen der Verjährungsfrist gebilligt worden, wenn diese sachlich gerechtfertigt sind und maßvoll erfolgen. Dabei spricht es für die inhaltliche Ausgewogenheit einer solchen Klausel, wenn die Begünstigung des Verwenders durch Vorteile für dessen Vertragspartner kompensiert wird. Die vorliegende Klausel sieht nicht nur eine die Klägerin als Verwenderin begünstigende maßvolle Verlängerung der Verjährungsfrist vor, sondern enthält bei der Regelung des Beginns der Verjährungsfrist und deren Höchstdauer auch Vorteile für den Beklagten als Bürgen.

Die Verjährungsfrist von fünf Jahren für Ansprüche aus der Bürgschaft soll nach dem klaren Wortlaut der Klausel in jedem Fall Geltung beanspruchen und verdrängt daher nicht nur die Regelverjährung von drei Jahren aus § 195 BGB, sondern auch die kenntnisunabhängige Verjährungshöchstfrist von zehn Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB. Zudem bestimmt die Klausel nach dem wiederum eindeutigen Wortlaut als Beginn der Verjährungsfrist das Ende des Jahres, in dem die Bürgschaftsansprüche nach Ziff. 2.3 der AGB, die sich insoweit nicht von der gesetzlichen Regelung unterscheiden, fällig werden. Abweichend von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt damit die Verjährung unabhängig von Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Bürgschaftsgläubigers von der Anspruchsentstehung. Auf Grundlage dieses Verständnisses benachteiligt die Klausel in ihrer Gesamtheit den Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen.

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