29.07.2015

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach Widerspruch

Versicherungsnehmer müssen sich bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ihrer Lebens- und Rentenversicherungsverträge nach wirksamem Widerspruch den bis zur Kündigung genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Sie müssen sich außerdem zu dem Rückkaufswert, den sie bereits vom Versicherer erhalten haben, die Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag, die der Versicherer bei Auszahlung des Rückkaufswertes für den Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat, als Vermögensvorteil anrechnen lassen.

BGH 29.7.2015, IV ZR 384/14 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten bei dem beklagten Versicherer im Jahr 1999 bzw. im Jahr 2003 fondsgebundene Renten- bzw. Lebensversicherungsverträge nach dem in § 5a VVG a.F. geregelten sog. Policenmodell abgeschlossen. Jahre später kündigten sie die Verträge und erklärten schließlich den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. Der Versicherer zahlte auf die Kündigungen hin den jeweiligen Rückkaufswert an die Kläger aus. Diese verlangten daraufhin Rückzahlung aller von ihnen geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der Rückkaufswerte, da die Verträge infolge der Widersprüche nicht wirksam zustande gekommen seien.

Das LG wies die Klagen ab; das OLG gab ihnen teilweise statt. Es war der Ansicht, die Versicherungsnehmer hätten die Widersprüche wirksam erklärt und könnten dem Grunde nach Rückzahlung aller Prämien verlangen. Allerdings müssten sie sich dabei den während der Dauer der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Die Revisionen des beklagten Versicherers, der den Abzug weiterer Positionen von den Klageforderungen erstrebt, blieben im Wesentlichen vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Senat hatte bereits mit Urteil vom 7.5.2014 (Az.: IV ZR 76/11) entschieden, dass Versicherungsnehmer bei der nach einem wirksamen Widerspruch durchzuführenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ihrer Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien zurückverlangen können; vielmehr müssen sie sich den jedenfalls bis zur Kündigung des jeweiligen Vertrags genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen.

Infolgedessen hat das Berufungsgericht in den vorliegenden Fällen den geschuldeten Wertersatz auf der Grundlage der Prämienkalkulation des beklagten Versicherers in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschätzt und die auf die gezahlten Prämien entfallenden Risikoanteile in Abzug gebracht. Allerdings war noch ein weiterer Abzug in Betracht zu ziehen. Denn entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes muss sich der Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem Rückkaufswert, den er bereits vom Versicherer erhalten hat, die Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag, die der Versicherer bei Auszahlung des Rückkaufswertes für den Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat, als Vermögensvorteil anrechnen lassen.

Sollte der Versicherer Abschluss- und Verwaltungskosten geltend machen, sind diese hingegen nicht zum Abzug zu bringen. Insoweit kann sich der Versicherer nämlich nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Verwaltungskosten sind bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie unabhängig von den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen angefallen und beglichen wurden. Hinsichtlich der Abschlusskosten gebietet es der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko trägt. Auch die Ratenzahlungszuschläge im vorliegenden Fall führten zu keinem teilweisen Wegfall der Bereicherung der Beklagten.

Die Bereicherungsansprüche der Kläger umfassten gem. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB auch die durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Das Berufungsgericht war insofern zutreffend davon ausgegangen, dass nur die Nutzungen herauszugeben sind, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen wurden. Es hat zu Recht die Darlegungs- und Beweislast beim Versicherungsnehmer gesehen und ihm einen entsprechenden Tatsachenvortrag abverlangt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe, etwa in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, gestützt werden kann. Über weitere Einzelfragen des Nutzungsersatzes musste hier nicht entschieden werden, da keine der Parteien Einwendungen gegen die Schätzung des Berufungsgerichtes erhoben hatte.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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BGH PM Nr. 131 vom 29.7.2015
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