09.09.2013

Beschwerdewert: Nachteile aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs sind maßgeblich

Die Beschwer des Schuldners (hier: ein Telefon- und Internetdienstleister) eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils richtet sich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu seinem Nachteil auswirkt. Maßgebend sind die Nachteile, die dem Schuldner aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen.

BGH 24.1.2013, I ZR 174/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telefon- und Internetdienstleistungen. Die Beklagte nutzt für den Vertragsschluss mit Verbrauchern das sog. Postident-Spezialverfahren. Damit ermöglicht es die Deutsche Post AG einem Absender, im Rahmen der Postzustellung die Identität natürlicher Personen anhand eines gültigen Personalausweises bei der Unterschrift zu dem vom Absender definierten Zweck festzustellen. Die Klägerin machte geltend, die Beklagte habe eine Kundin der Klägerin bei einem Akquiseanruf im Mai 2009 unter Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 312c Abs. 1 u. 2, § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV (jetzt: Art. 246 § 1 EGBGB) nicht hinreichend über die Rechtswirkungen der nach dem Telefonat von der Kundin im Wege des Postident-Verfahrens zu leistenden Unterschrift aufgeklärt.

Die Beklagte widersprach dem. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln auf Unterlassung. Den Streitwert legte es auf 100.000 € fest. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wies das KG als unzulässig ab, da der Wert der Beschwer 600 € nicht übersteige. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Die Annahme des Berufungsgerichts, der für die Statthaftigkeit der Berufung erforderliche Beschwerdewert sei nicht erreicht, hielt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstandes gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist auf das Interesse des Rechtsmittelführers abzustellen, seine erstinstanzliche Verurteilung zu beseitigen. Die Beschwer des Schuldners eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils richtet sich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu seinem Nachteil auswirkt. Maßgebend sind die Nachteile, die dem Schuldner aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen. Außer Betracht bleiben dabei die Nachteile, die nicht mit der Befolgung des Unterlassungsgebots, sondern mit einer Zuwiderhandlung - etwa durch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder durch die Bestellung einer Sicherheit (§ 890 Abs. 1 u. 3 ZPO) - verbunden sind.

Das KG hatte angenommen, es sei bei der Bestimmung der Beschwer danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungspflicht stritten oder aber lediglich über bereits erfolgte Verstöße gegen eine solche Unterlassungspflicht. Stritten die Parteien nicht auch über die Unterlassungspflicht, gehe es nicht mehr um ein Interesse der Beklagten, so zu handeln, wie es verboten worden sei, sondern nur noch um den Aufwand und die Kosten, die die Beklagte zur Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung auf-wenden müsse. Dem konnte allerdings nicht zugestimmt werden.

Das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an einer Beseitigung der Verurteilung entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung. Denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie von subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten. Für die Frage der Beschwer i.S.d. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist mithin der Umfang des vom Schuldner zu erfüllenden Unterlassungsgebots, also die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, maßgebend. Die in dieser Einschränkung liegende Beschwer wird nicht dadurch geringer, dass sich der zur Unterlassung verurteilte Beklagte prozessual nur gegen die tatsächliche Erfüllung der Voraussetzungen einer zur Unterlassung verpflichtenden Anspruchsgrundlage wendet.

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