21.01.2014

Die Bezeichnung als "durchgeknallte Frau" kann ehrverletzend sein

Die Bezeichnung als "durchgeknallte Frau" kann, abhängig vom Kontext, eine ehrverletzende Äußerung sein, die nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde einer ehemaligen Landrätin und Landtagsabgeordneten teilweise statt, die sich gegen einzelne Äußerungen in einem Beitrag eines Online-Mediums gewandt hatte.

BVerfG 11.12.2013, 1 BvR 194/13
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist ehemalige Landrätin und war bis September 2013 Mitglied des Bayerischen Landtages. Ende 2006 hatte sie für ein Gesellschaftsmagazin posiert, das die Fotostrecke in einer ihrer Ausgaben veröffentlichte. Dies nahm die Beklagte des Ausgangsverfahrens zum Anlass, auf ihrer Internetseite einen Text zu veröffentlichen, der u.a. die folgende Passage enthält:

"Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer."

Die Beschwerdeführerin sah sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrte von der Beklagten die Unterlassung verschiedener Einzeläußerungen, u.a. der Bezeichnung als "durchgeknallte Frau", sowie eine Geldentschädigung i.H.v. mindestens 5.000 €. Das LG verurteilte die Beklagte zur begehrten Unterlassung, wies die Klage bezüglich der Geldentschädigung aber ab. Das OLG wies die Berufung der Beschwerdeführerin zurück und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt ab. Es ordnete die drei streitgegenständlichen Äußerungen als Werturteil ein und ließ in der Abwägung die Meinungsfreiheit der Beklagten überwiegen.

Die Verfassungsbeschwerde gegen das klagabweisende Urteil des OLG war teilweise erfolgreich. Das BVerfG hob die Entscheidung insoweit auf und wies die Sache an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die angegriffene Entscheidung verletzte die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie die Äußerung unbeanstandet gelassen hatte, die Beschwerdeführerin sei eine "durchgeknallte Frau".

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Schranken gem. Art. 2 Abs. 1 GG zwar in der verfassungsmäßigen Ordnung einschließlich der Rechte wie etwa die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Insofern müssen die Gerichte die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung erfassen. Die sich gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalls in ein Verhältnis zu bringen, das die ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt. Allerdings hatte das OLG im vorliegenden Fall dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin ein zu schwaches Gewicht beigemessen. So übersah es die persönliche Ehre als in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich genannte Schranke.

Da die Beschwerdeführerin von der Beklagten die Unterlassung der Äußerung begehrte, sie sei eine "durchgeknallte Frau", ging es ihr gegen die Äußerung als Zusammenfassung des vorangegangenen Absatzes. Hierin verschob die Beklagte die öffentliche Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin hin zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson. Sie stützte diese Spekulationen auf Beurteilungen, die thematisch den innersten Intimbereich betrafen, ohne dass sie irgendeinen Tatsachenkern hätten.

Zwar musste sich die Beschwerdeführerin wegen der Fotostrecke in dem Magazin eine Auseinandersetzung damit gefallen lassen. Der Beklagten blieb es aber unbenommen, sich - sowohl zugespitzt als auch polemisch - zu dem Verhalten der Beschwerdeführerin zu äußern. Die Folgerungen der Beklagten, die sie mit den Worten "durchgeknallte Frau" zusammengefasst hatte, hatten jedoch als solche keinerlei Anknüpfungspunkt in dem Verhalten der Beschwerdeführerin. Die Beklagte zielte vielmehr bewusst darauf, die Beschwerdeführerin nicht nur als öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade schon als private Person abzusprechen.

Angesichts dessen konnte sich die Meinungsfreiheit nicht durchsetzen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um einen bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text handelte, der nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung war.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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BVerfG PM Nr. 2 vom 21.1.2014
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