14.06.2012

Entgangene Anlagezinsen: Verzinsung von Geldbeträgen zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 Prozent nicht wahrscheinlich

Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kann nicht mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 Prozent verzinst. Es entspricht schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft.

BGH 24.4.2012, XI ZR 360/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse als Prospektverantwortliche und Anlageberaterin im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin, eine langjährige Kundin der Beklagten, hatte bis zum Jahre 2000 wiederholt Geld in Sparbüchern, Festgeldanlagen und Sparkassenbriefen angelegt. Als ein solcher Sparkassenbrief i.H.v. 105.000 DM fällig wurde, führte sie im November 2000 ein Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten. Dieser empfahl ihr eine Beteiligung an dem Immobilienfonds "I. KG", der ein Fachmarktzentrum sowie ein Bürogebäude bewirtschaftet. Die Klägerin beteiligte sich daraufhin am selben Tage i.H.v. 100.000 DM zzgl. 5 Prozent Agio an diesem Fonds, den die Beklagte als Gründungskommanditistin im Jahre 1999 initiiert hatte.

Die Klägerin stützt ihre Klage u.a. darauf, dass das Alter des Fachmarktzentrums im Anlageprospekt unzutreffend dargestellt worden sei. Sie begehrte deshalb erstinstanzlich die Rückzahlung ihres Anlagekapitals sowie des Agios abzgl. erhaltener Ausschüttungen, insgesamt rd. 39.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen die Übertragung der Fondsbeteiligung, die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten.

Das LG wies die Klage ab. Mit ihrer Berufung verfolgte die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und forderte darüber hinaus insbes. die Erstattung entgangener Anlagezinsen i.H.v. rd. 24.000 € für die Zeit zwischen Fondsbeitritt und Rechtshängigkeit. Das OLG gab der Klage im Umfang des erstinstanzlichen Klagebegehrens statt, die in zweiter Instanz geltend gemachten, weitergehenden Ansprüche wies es jedoch ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin, mit der sie ihr zweitinstanzliches Begehren hinsichtlich der entgangenen Anlagezinsen weiterverfolgte, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat den von der Klägerin in zweiter Instanz erstmals geltend gemachten Anspruch auf Erstattung entgangener Anlagezinsen i.H.v. 24.000 € zu Recht verneint.

Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages und fehlerhafter Prospektangaben, den das OLG der Klägerin dem Grunde nach rechtskräftig zugesprochen hat, umfasst nach § 252 S. 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehören zwar grundsätzlich auch entgangene Anlagezinsen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist einem Kapitalanleger, der durch unrichtige Angaben dazu bewogen worden ist, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, daher nicht nur seine Einlage in diese Gesellschaft, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre.

Entgegen der Ansicht der Revision hat das OLG jedoch die Erstattung von Wiederanlagezinsen in Höhe der für Sparbriefe oder Bundeswertpapiere durchschnittlich erzielbaren Zinssätze ebenso rechtsfehlerfrei abgelehnt wie die von der Klägerin hilfsweise begehrte Erstattung eines Mindestschadens in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 Prozent p.a. Dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Gewinn entgangen ist, ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig. Vorliegend hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass sie sich bei einer ordnungsgemäßen Beratung bzw. Prospektinformation nicht für einen Immobilien-fonds, sondern - wie zuvor - für eine Geldanlage in Form eines festverzinslichen Sparbriefes bzw. eines Bundeswertpapiers entschieden hätte.

Diesen Vortrag hat das OLG jedoch nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme als nicht bewiesen angesehen. Vielmehr hat es das OLG aufgrund der Angaben des Zeugen M, des Beraters der Beklagten, zu den Anlagezielen der Klägerin als naheliegend angesehen, dass die Klägerin eine andere Anlage gewählt hätte, die die gleichen Vorteile wie die Fondsbeteiligung geboten hätte, nämlich eine höhere Rendite und eine steuer-rechtlich günstigere Übertragbarkeit.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber auf § 252 S. 2 Fall 1 BGB, wonach als entgangen der Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Zu Recht ist das OLG insoweit nicht der Auffassung des Thüringer OLG Jena gefolgt, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge könne mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 Prozent p.a. (§ 246 BGB) verzinse. Wie der Senat aus zahlreichen Verfahren weiß, entspricht es schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft. Erst recht gilt das für eine Verzinsung von 4 Prozent p.a.

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