25.04.2017

Enthaftungserklärung für das Wohnraummietverhältnis: Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung der Mietkaution wird vom Insolvenzbeschlag frei

Gibt der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis des Schuldners eine Enthaftungserklärung ab, wird der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung der Mietkaution vom Insolvenzbeschlag frei. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigt.

BGH 16.3.2017, IX ZB 45/15
Der Sachverhalt:
Im Oktober 2012 wurde über das Vermögen des Schuldners das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Treuhänder bestellt. Am 24.12.2012 gab der weitere Beteiligte gegenüber dem Vermieter der Wohnung des Schuldners eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO ab. Mit Beschluss vom 22.4.2014 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

Am 31.7.2014 endete das Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners. Der Vermieter überwies die vom Schuldner zu Beginn des Mietverhältnisses gezahlte Mietkaution i.H.v. 700 € zzgl. 6,15 € Zinsen auf ein Anderkonto des weiteren Beteiligten. Dieser beantragte die Anordnung der Nachtragsverteilung über das Guthaben.

Das AG - Insolvenzgericht - lehnte den Antrag des weiteren Beteiligten ab. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Eine Nachtragsverteilung kann nach der hier allein in Betracht kommenden Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO angeordnet werden, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Anspruch des Schuldners auf die Mietkaution gehört, wenn der Insolvenzverwalter eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgegeben hat, nicht mehr zur Insolvenzmasse.

Der Insolvenzverwalter kann das nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehende Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners nicht nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO kündigen. Er kann aber erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der dort bestimmten Kündigungsfrist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§ 109 Abs. 1 S. 2 InsO). Nach neuerer BGH-Rechtsprechung beschränkt sich die Wirkung der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO nicht darauf, dass die Insolvenzmasse für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis nicht mehr haftet. Mit dem Wirksamwerden der Erklärung geht vielmehr die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis betreffend das Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners in vollem Umfang vom Verwalter wieder auf den Schuldner über. Der Vermieter hat deshalb nach diesem Zeitpunkt eine Kündigung an den Schuldner zu richten, für eine Klage gegen den Vermieter auf Auszahlung eines nach der Enthaftungserklärung entstandenen Nebenkostenguthabens fehlt dem Insolvenzverwalter die Prozessführungsbefugnis, und die Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 InsO verliert ihre Geltung.

Mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung scheidet auch der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer Mietkaution bis zur gesetzlich zulässigen Höhe aus der Insolvenzmasse aus. Die mit der Erklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO verbundene Freigabe erstreckt sich auf dasjenige Vermögen des Schuldners, das der weiteren Durchführung des Mietvertrags zuzuordnen ist. Vom Insolvenzbeschlag frei werden deshalb insbesondere alle mietvertraglichen Forderungen des Schuldners, die erst nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Enthaftungserklärung entstehen. Der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution entsteht zwar aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung der Kaution. Nach Sinn und Zweck der Mietkaution ist der Anspruch auf Rückzahlung jedoch der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Wirksamwerden der Enthaftungerklärung zuzuordnen. Zum Zeitpunkt der Enthaftungserklärung hat das Anwartschaftsrecht auf Rückzahlung der Kaution noch keinen sicheren Vermögenswert.

Die Kaution dient nach Maßgabe der getroffenen Sicherungsabrede bis zur Beendigung des Mietverhältnisses und der Rückgabe der Mietsache dazu, die mietvertraglichen Ansprüche des Vermieters zu sichern. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution besteht nur, wenn der Schuldner auch nach der Freigabe des Mietverhältnisses seine mietvertraglichen Pflichten erfüllt, insbesondere die geschuldete Miete samt Nebenkosten zahlt und die Mietsache nach der Beendigung des Mietverhältnisses in vertragsgemäßem Zustand zurückgibt. Erst dadurch erlangt das Recht des Schuldners an der Kaution seinen endgültigen Wert. Deshalb ist es gerechtfertigt, dass mit der Freigabe des Mietverhältnisses auch der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aus dem insolvenzbefangenen Vermögen ausscheidet, soweit es sich um eine Kaution im gesetzlich zulässigen Rahmen handelt.

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