25.03.2014

Erstbegehungsgefahr entfällt nicht bereits durch Verzicht auf Beschwerde (REAL-Chips)

Anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung. Infolgedessen entfällt die durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr nicht schon dann, wenn gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung durch das Deutsche Patent- und Markenamt keine Beschwerde eingelegt wird.

BGH 22.1.2014, I ZR 71/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der Metro AG und verwaltet die gewerblichen Schutzrechte des Metro-Konzerns. Zu diesem Konzern gehört auch die real,- SB-Warenhaus GmbH, die mehr als 300 Warenhäuser in Deutschland betreibt. Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer deutscher Marken mit dem Bestandteil "real,-". Im vorliegenden Fall stützte sie sich auf die eingetragene deutsche Wort-Bild-Marke mit den Wortbestandteilen "real,- QUALITY" ("real" in roter Schrift, weitere Wortbestandteile blau).

Die Beklagte vertreibt in Großbritannien unter der Bezeichnung "REAL" Kartoffelchips. Sie nahm im Jahr 2010 an der internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln teil und präsentierte dort ihre Kartoffelchips. Nachdem ihr dies durch eine von der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung verboten worden war, meldete die Beklagte im April 2010 die deutschen Wortmarken "REAL" und "REAL Crisps" für verschiedene Waren an. Das Deutsche Patent- und Markenamt wies die Anmeldungen im Oktober 2010 zurück, weil die Zeichen nicht unterscheidungskräftig seien. Die Bezeichnung "REAL" werde lediglich beschreibend verstanden. Die Entscheidungen sind bestandskräftig geworden, nachdem die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hatte.

Das LG hat die Beklagte u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland die Bezeichnung "REAL" und/oder "REAL Crisps" für ihre Waren zu verwenden und/oder verwenden zu lassen. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel der Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Unterlassungsanspruch, da zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.

Die Vorinstanzen hatten ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klagemarke im Hinblick auf die Anlehnung an einen beschreibenden Begriff für den in Rede stehenden Warenbereich originär nur schwach kennzeichnungskräftig ist, ihr aber nicht jegliche Kennzeichnungskraft von Haus aus fehlt. Hierfür spricht, dass das Publikum in der Erinnerung nicht nach der rechtlichen Art der Kennzeichen differenziert und daran gewöhnt ist, dass große Handelsketten ihr Unternehmenskennzeichen regelmäßig auch zur Kennzeichnung von ihnen angebotener Waren verwenden.

Außerdem hatten die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen "REAL" und "REAL Crisps" eine hohe Ähnlichkeit besteht. Die Kollisionszeichen, die jeweils durch den Wortbestandteil "real" in Groß- und Kleinschreibung geprägt würden, seien klanglich identisch. Die Klagemarke wird durch den Wortbestandteil "real" geprägt. Sie erlangt Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden Waren nicht ausschließlich durch eine Abweichung von einem nicht unterscheidungskräftigen Markenwort. Auch bezogen auf die zum Teil aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Kollisionszeichen (Klagemarke "real,-QUALITY" und "REAL Crisps") besteht zumindest hochgradige klangliche Ähnlichkeit.

Ohne Erfolg wandte sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, für die Nutzung der Wortmarken "REAL" und "REAL Crisps" bestehe eine Erstbegehungsgefahr. Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist im Regelfall zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen. In diesem Zusammenhang kam es nicht auf die Motivation der Beklagten bei der Markenanmeldung an.

Die von den Markenanmeldungen ausgehende Erstbegehungsgefahr war auch nicht fortgefallen. Denn anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung. Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt daher grundsätzlich ein "actus contrarius", also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten. Infolgedessen fehlt es bei der bloßen Nichteinlegung von Rechtsmitteln an einem für den Fortfall der Erstbegehungsgefahr ausreichenden entgegengesetzten Verhalten.

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