21.09.2012

EuGH-Vorlage zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken

Darf es nach Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG Bibliotheksnutzern ermöglicht werden, auf den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachte Werke ganz oder teilweise auf Papier auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern und diese Vervielfältigungen aus den Räumen der Einrichtung mitzunehmen? Dies ist eine von drei Fragen, die der BGH dem EuGH zur Zulässigkeit von elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

BGH 20.9.2012, I ZR 69/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Verlag. Die beklagte Universität hat in ihrer öffentlich zugänglichen Bibliothek elektronische Leseplätze eingerichtet, an denen Bibliotheksnutzer Zugang zu bestimmten Werken aus dem Bibliotheksbestand haben. Darunter befand sich ein im Verlag der Klägerin erschienenes Lehrbuch. Die Beklagte hatte das Buch digitalisiert, um es an den elektronischen Leseplätzen bereitzustellen. Die Nutzer der Leseplätze konnten das Werk ganz oder teilweise auf Papier ausdrucken oder auf einem USB-Stick abspeichern. Auf ein Angebot der Klägerin, von ihr herausgegebene Lehrbücher als elektronische Bücher (E-Books) zu erwerben und zu nutzen, ging die Beklagte nicht ein.

Die Klägerin war der Ansicht, eine solche Nutzung sei nicht von der Schrankenregelung des § 52b UrhG gedeckt. Nach dieser Bestimmung ist es zwar zulässig, veröffentlichte Werke aus dem Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken, die keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgen, ausschließlich in den Räumen der jeweiligen Einrichtung an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich zu machen. Dem dürfen allerdings keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen. Die Klägerin nahm die Beklagte u.a. auf Unterlassung in Anspruch.

Das LG wies zwar den Antrag der Klägerin ab, der Beklagten grundsätzlich zu verbieten, Bücher aus dem Verlag der Klägerin zu digitalisieren und in digitalisierter Form an elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek zu benutzen, auch wenn die Klägerin ihr dafür einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet. Es war der Ansicht, dass ein bloßes Vertragsangebot des Rechtsinhabers keine geltende Regelung sei, die einer Inanspruchnahme der Schrankenregelung entgegenstehe. Das LG untersagte der Beklagten jedoch, es Bibliotheksnutzern zu ermöglichen, digitale Versionen von Büchern aus ihrem Verlag an elektronischen Leseplätzen auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern. Dies sei nicht zulässig, weil andernfalls der normale Verkauf der Bücher übermäßig beeinträchtigt werde.

Auf die Sprungrevision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem EuGH drei Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:
Der § 52b UrhG setzt Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten bestimmte Rechte des Rechtsinhabers einschränken, für die Nutzung von Werken, für die keine Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten und die sich in den Sammlungen öffentlich zugänglicher Bibliotheken befinden, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen, und zwar durch ihre Zugänglichmachung auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten der Bibliotheken.

Infolgedessen stellte sich zunächst die Frage, ob i.S.d. Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG "Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten", wenn der Rechtsinhaber den Bibliotheken den Abschluss von Lizenzverträgen über die Nutzung von Werken auf Terminals zu angemessenen Bedingungen anbietet.

Außerdem stellte sich die Frage, ob Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG die Mitgliedstaaten dazu berechtigt, Bibliotheken das Recht zu gewähren, Druckwerke des Bibliotheksbestands zu digitalisieren, wenn dies erforderlich ist, um die Werke auf den Terminals zugänglich zu machen.

Schließlich ergab sich noch die Frage, ob es den Bibliotheksnutzern nach Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG ermöglicht werden darf, auf den Terminals zugänglich gemachte Werke ganz oder teilweise auf Papier auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern und diese Vervielfältigungen aus den Räumen der Einrichtung mitzunehmen.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 155 vom 21.9.2012
Zurück