26.01.2016

File-Sharing über gemeinsam genutzten Internetzugang: Eltern können für Urheberrechtsverletzungen der Kinder haften

In Filesharing-Fällen betrifft die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers die vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, er sei der Täter. Genügt der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann zugunsten des Anspruchstellers geltenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.

OLG München 14.1.2016, 29 U 2593/15
Der Sachverhalt:
Der klagenden Tonträgerherstellerin stehen die ausschließlichen Verwertungsrechte an einem bestimmten Musikalbum und den dort enthaltenen Musiktiteln zu. Sie macht gegen das beklagte Ehepaar Schadensersatzansprüche i.H.v. mindestens 2.500 € sowie Ersatz ihrer Abmahnkosten i.H.v. über 1.000 € geltend, da das streitgegenständliche Album mit sämtlichen Titeln über einen Internetanschluss der Beklagten zum Herunterladen angeboten worden war. Dies geschah mittels einer Filesharing-Software im Rahmen einer Internettauschbörse und ohne Zustimmung der Klägerin. Das Vorbringen der Beklagten, ihre drei Kinder hätten Zugang zu dem Internetanschluss gehabt, bestritt die Klägerin.

Die Beklagten behaupten, sie selbst hätten zur fraglichen Zeit einen gemeinsamen, normalerweise im Wohnzimmer stehenden Rechner besessen. Sie hätten mit ihren drei damals bereits volljährigen Kindern zusammen gewohnt, die jeweils eigene Rechner gehabt hätten. Mit einem Router der Telekom hätten sie einen drahtlosen Internetzugang betrieben, der durch ein auch den Kindern bekanntes Passwort gesichert gewesen sei. Die Verletzungshandlung sei von einem ihrer Kinder vorgenommen worden; sie wüssten zwar, welches Kind dafür verantwortlich sei, wollten dieses jedoch nicht benennen.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten dazu, an die Klägerin rd. 3.500 € nebst Zinsen zu bezahlen. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde zugelassen, da die Rechtsfrage, durch welche Angaben ein Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachkommen kann, über den Streitfall hinaus für eine Vielzahl von Filesharing-Fällen Bedeutung hat.

Die Gründe:
Die Beklagten sind als Täter der begangenen Rechtsverletzung gem. § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG anzusehen.

Grundsätzlich muss der Anspruchsteller nachweisen, dass der auf Schadensersatz in Anspruch Genommene für behauptete Urheberrechtsverletzungen als Täter verantwortlich ist. Wird aber ein urheberrechtlich geschütztes Werk (oder eine Leistung) der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers. Halten mehrere Personen (hier: die Eheleute) den Internetanschluss gemeinsam, so gilt die Vermutung zulasten aller Anschlussmitinhaber. Eine tatsächliche Vermutung begründet einen Anscheinsbeweis, zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt; es müssen vielmehr besondere, ggf. vom Anschlussinhaber nachzuweisende Umstände hinzukommen, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs ergeben soll.

Die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses setzt zudem voraus, dass der Anschluss - soweit er hinreichend gesichert ist -nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Will sich der Anspruchsteller auf die tatsächliche Vermutung stützen, so hat er deren Voraussetzungen darzulegen und nötigenfalls zu beweisen. Beweisbedürftig werden die entsprechenden Darlegungen des Anspruchstellers jedoch nur, wenn der Anschlussinhaber sie nicht nur pauschal bestreitet, sondern ihnen mit konkreten Angaben entgegentritt. Dieser sekundären Darlegungslast genügt der Anschlussinhaber nur, wenn er vorträgt, ob und ggf. welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen; er ist im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Anschlussinhabers lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt nicht.

Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Entspricht der Anschlussinhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht, so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen. Demzufolge ist das LG vorliegend zu Recht von der Täterschaft der Beklagten ausgegangen. Denn diese haben die Anforderungen der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht erfüllt. Sie hätten mitteilen müssen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hatten, hier also, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen hatte. Diese Auskunft aber verweigerten die Beklagten.

Damit haben sie sich lediglich pauschal auf die generell bestehende Zugriffsmöglichkeit ihrer drei Kinder auf den Internetanschluss berufen, ohne konkrete Angaben zur Verletzungshandlung zu machen. Der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs.1 GG) steht der zivilprozessualen Obliegenheit zur Darlegung nicht entgegen. Art. 6 Abs.1 GG gewährt keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange; vielmehr sind auch die gegenläufigen Belange der Klägerin, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG genießen, zu berücksichtigen. Diesen wiegen vorliegend so schwer, dass sich die Beklagten im Einzelnen dazu erklären müssen, wie es zu den - unstreitig über ihren Internetanschluss erfolgten - Rechtsverletzungen aus der Familie heraus gekommen ist; andernfalls könnten die Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte bei Rechtsverletzungen mittels von Familien genutzter Internetanschlüsse ihre Ansprüche regelmäßig nicht durchsetzen.

Da die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast zum Zugriff Dritter auf ihren Internetanschluss nicht nachgekommen sind, ist von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass die Beklagten als Inhaber des Anschlusses die Täter der Rechtsverletzung sind. Diese tatsächliche Vermutung haben die Beklagten nicht erschüttert. Sie haben sich zwar darauf berufen, dass auch ihre Kinder zum Zeitpunkt der rechtsverletzenden Handlung Zugriff auf den Internetanschluss gehabt haben, und diese zum Beweis dafür benannt. Sie sind jedoch beweisfällig geblieben, weil sich die als Zeugen benannten Kinder auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen haben.

OLG München PM Nr. 2 vom 14.1.2016
Zurück