20.10.2016

Gemeinsame Vergütungsregeln: Zur Auslegung des Erfordernisses der Repräsentativität in § 36 Abs. 2 UrhG

Das Erfordernis der Repräsentativität ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 UrhG auszulegen. Das Merkmal soll mit Blick auf die weitreichende Vermutung der Angemessenheit im Sinne von § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG sicherstellen, dass mit der Aufstellung von gemeinsamen Vergütungsregeln kein Missbrauch betrieben wird, sondern diese nur von Vereinigungen vereinbart werden, welche die Gewähr für eine sachorientierte und interessengerechte Festlegung von angemessenen Regeln bieten.

BGH 15.9.2016, I ZR 20/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger war hauptberuflich als freier Journalist für die Beklagte tätig, die in Potsdam die Tageszeitung "Potsdamer Neueste Nachrichten" herausgibt. Im Zeitraum von Februar 2010 bis Mai 2011 übernahm der Kläger die gesamte Sportberichterstattung für die Tageszeitung der Beklagten übernommen. Die Beklagte veröffentlichte in diesem Zeitraum insgesamt 275 vom Kläger verfasste Beiträge. Der Kläger erhielt dafür jeweils am Monatsende ein sog. "Anstrichhonorar" i.H.v. 0,40 € pro Zeile.

Der Kläger ist der Ansicht, die erhaltene Vergütung sei nicht angemessen. Er nahm die Beklagte auf Zahlung einer angemessenen Vergütung (§ 32 UrhG) i.H.v. rd. 3.000 € sowie auf Zahlung von vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten in Anspruch. Außerdem begehrte er die Erteilung einer Auskunft über weitere Nutzungen seiner Artikel und die Feststellung, dass die Beklagte für alle weiteren vorgenommenen Nutzungshandlungen vergütungspflichtig ist.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann der auf Zahlung einer angemessenen Vergütung gem. § 32 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 UrhG gerichtete Antrag des Klägers nicht verneint werden.

Nach § 36 Abs. 2 UrhG müssen die Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern, die gem. § 36 Abs. 1 UrhG gemeinsame Vergütungsregeln aufstellen, repräsentativ, unabhängig und zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln ermächtigt sein. Diese Voraussetzungen sollen gewährleisten, dass nur solche Vergütungsregeln die weitreichende Rechtsfolge einer unwiderleglichen Vermutung der Angemessenheit i.S.v. § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG begründen, die von Vereinigungen vereinbart werden, welche die Gewähr für eine sachorientierte und interessengerechte Festlegung von angemessenen Regeln bieten. Mit den in § 36 Abs. 2 UrhG aufgestellten Voraussetzungen soll verhindert werden, dass nichtrepräsentative, unbedeutende Gruppierungen gutgläubig oder in manipulativer Absicht, ggf. sogar im Zusammenspiel mit ihren Verhandlungspartnern, untaugliche oder unangemessene Vergütungsregeln aufstellen.

Daraus folgt, dass sich aus den Merkmalen der Repräsentativität, Unabhängigkeit und der Ermächtigung im Einzelfall Grenzen für die Vermutung der Angemessenheit der Vergütungsregel i.S.v. § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG ergeben können. Dies kann grundsätzlich auch im Hinblick auf die räumliche Geltung einer gemeinsamen Vergütungsregel anzunehmen sein, etwa wenn eine Vereinigung nur zum Abschluss einer räumlich begrenzten Vergütungsregel ermächtigt worden ist oder die Voraussetzungen der Repräsentativität nur für ein bestimmtes Gebiet vorliegen und deshalb nach den relevanten Umständen, insbesondere den örtlichen Gegebenheiten, nicht davon ausgegangen werden kann, die entsprechende Vereinigung könne eine sach- und interessengerechte Vereinbarung auch für Urheber oder Werknutzer in anderen Gebieten verhandeln und abschließen.

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des OLG, es fehle an dem Merkmal der Repräsentativität, weil der BDZV beim Abschluss der GVR Tageszeitungen in Stellvertretung nur für westdeutsche Landesverbände aufgetreten sei. Das Erfordernis der Repräsentativität ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 UrhG auszulegen. Das Merkmal soll mit Blick auf die weitreichende Vermutung der Angemessenheit i.S.v. § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG sicherstellen, dass mit der Aufstellung von gemeinsamen Vergütungsregeln kein Missbrauch betrieben wird, sondern diese nur von Vereinigungen vereinbart werden, welche die Gewähr für eine sachorientierte und interessengerechte Festlegung von angemessenen Regeln bieten und die daher im Hinblick auf die vertretene Branche nicht unbedeutend sind.

Vor diesem Hintergrund ist erforderlich, dass der jeweiligen Vereinigung entweder nach ihrer Anzahl und Größe oder nach ihrer Marktbedeutung eine tatsächliche Position zukommt, die es rechtfertigt, im konkreten Fall in legitimer Weise "für die Branche zu sprechen". Nach diesen Maßstäben scheidet eine vom OLG angestellte formale Betrachtung dahingehend aus, dass gemeinsame Vergütungsregeln mit bundesweiter Bedeutung allein durch bundesweit tätige Vereinigungen abgeschlossen werden und regional tätige Verbände nur im Hinblick auf ihr Regionalgebiet repräsentativ sein können. Bei der gebotenen Anwendung eines gemischt qualitativen und quantitativen Maßstabs kann eine Repräsentativität vielmehr auch einem Regionalverband über die Grenzen seines Tätigkeits- oder Mitgliederbereichs zukommen.

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