16.07.2014

Kein Bereicherungsanspruch bei ordnungsgemäßer Belehrung und jahrelanger Durchführung des Lebensversicherungsvertrages

Der nach § 5a VVG a.F. ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer hat nach jahrelanger Durchführung des Lebensversicherungsvertrages keinen Anspruch auf Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz. Ihm ist es auch im Fall einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

BGH 16.7.2014, IV ZR 73/13
Der Sachverhalt:
Der klagende Versicherungsnehmer begehrte Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch gem. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. Der Versicherungsvertrag war 1998 nach dem in dieser (von Mitte 1994 bis Ende 2007 gültigen) Vorschrift geregelten sog. Policenmodell geschlossen worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit Übersendung des Versicherungsscheins die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation. Außerdem wurde er ordnungsgemäß nach § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt. Der Kläger zahlte in der Folgezeit die Versicherungsprämien. Im Jahr 2004 kündigte er den Versicherungsvertrag und erhielt den Rückkaufswert. Im Jahr 2011 erklärte er den Widerspruch.

LG und OLG wiesen die Klage ab, weil der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nicht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen gem. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. erklärt habe. Auch die Revision des Klägers vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB auf Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz.

Der Kläger hatte die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der Lebensversicherungsvertrag war nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. unwirksam. Dabei war der Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. der Fall war (Urteil v. 28.3.2012, Az.: IV ZR 76/11) - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Es war im Einklang mit der Instanzenrechtsprechung und einem Großteil des Schrifttums keinen Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die einschlägigen Bestimmungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung dem Policenmodell entgegenstehen könnten.

Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. war vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die genannten Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten, sondern dies dem nationalen Recht überlassen. Infolgedessen entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des EuGH gefunden haben.

Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte nach nationalem Recht erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten. Auf diese Weise war eine nach der EuGH-Rechtsprechung erforderliche Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.

Die von der Revision begehrte Vorlage an EuGH schied auch bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankam. Offenbleiben konnte daher auch, ob in diesem Fall alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären - wie der Kläger meinte - und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten.

Die Entscheidung hing hier nicht von der unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Fall einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

Linkhinweis:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 110 vom 16.7.2014
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