14.04.2014

Keine Berücksichtigung unrechtmäßiger Vervielfältigungen bei der Abgabe für die Anfertigung von Privatkopien eines geschützten Werks

Bei der Höhe der Abgabe für die Anfertigung von Privatkopien eines geschützten Werks dürfen unrechtmäßige Vervielfältigungen nicht berücksichtigt werden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass keine anwendbare technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien zu bekämpfen.

EuGH 10.4.2014, C-435/12
Der Sachverhalt:
Nach der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts dürfen die Mitgliedstaaten eine Ausnahme von dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht der Urheber und der Inhaber verwandter Schutzrechte festlegen und die Anfertigung von Privatkopien zulassen (Privatkopieausnahme). Sie bestimmt außerdem, dass die Mitgliedstaaten, die sich für die Einführung einer solchen Ausnahme in ihr innerstaatliches Recht entscheiden, verpflichtet sind, die Zahlung eines "gerechten Ausgleichs" an die Urheberrechtsinhaber vorzusehen, um diese für die Nutzung ihrer Werke oder anderen Schutzgegenstände angemessen zu entschädigen.

ACI Adam u.a. sind Importeure, bzw. Hersteller von unbeschriebenen Datenträgern wie CDs oder CD-Res. Nach den niederländischen Rechtsvorschriften müssen diese Unternehmen die Privatkopievergütung an die Stiftung Stichting de Thuiskopie entrichten. Die Höhe dieser Vergütung wird von einer anderen Stiftung, der SONT, festgelegt. Nach Ansicht von ACI Adam u.a. hätte die SONT bei der Festlegung der Höhe der Vergütung nicht den Schaden berücksichtigen dürfen, der den Inhabern von Urheberrechten durch Privatkopien entstehen kann, die auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden.

Vor diesem Hintergrund legte der Oberste Gerichtshof der Niederlande dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:
Es hätte offensichtlich eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts zur Folge, wenn die Mitgliedstaaten befugt wären, Rechtsvorschriften zu erlassen, nach denen u.a. die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle zulässig wäre. Die Verwirklichung des Ziels, die Verbreitung der Kultur zu fördern, darf aber nicht durch Verzicht auf einen rigorosen Schutz der Urheberrechte oder durch Duldung der unrechtmäßigen Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken erfolgen. Daher können nationale Rechtsvorschriften, die in keiner Weise zwischen Privatkopien von rechtmäßigen Quellen und solchen unterscheiden, die auf der Grundlage von nachgeahmten oder gefälschten Werken angefertigt werden, nicht geduldet werden.

Es ist insoweit Sache des Mitgliedstaats, der die Anfertigung von Privatkopien gestattet hat, eine korrekte Anwendung dieser Erlaubnis sicherzustellen und somit Handlungen einzuschränken, die von den Rechtsinhabern nicht genehmigt wurden. Nationale Rechtsvorschriften aber, die nicht zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen privaten Vervielfältigungen unterscheiden, können keine korrekte Anwendung der Privatkopieausnahme sicherstellen. Der Umstand, dass keine anwendbare technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien zu bekämpfen, vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen.

Darüber hinaus muss das Vergütungssystem einen angemessenen Rechts- und Interessenausgleich zwischen den Urhebern (als Empfängern des gerechten Ausgleichs) und den Nutzern von Schutzgegenständen sichern. Ein System der Privatkopievergütung, das hinsichtlich der Berechnung des gerechten Ausgleichs, der den Anspruchsberechtigten gebührt, nicht danach unterscheidet, ob die Quelle, auf deren Grundlage eine private Vervielfältigung angefertigt wurde, rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, trägt aber nicht zu diesem angemessenen Ausgleich bei.

Vielmehr wird der entstandene Schaden und somit die Höhe des Ausgleichs aufgrund des Kriteriums des Schadens berechnet, der den Urhebern sowohl durch Anfertigung privater Vervielfältigungen von rechtmäßigen als auch von rechtswidrigen Quellen entsteht. Der so errechnete Betrag wird dann auf den Preis überwälzt, den die Nutzer von Schutzgegenständen zum Zeitpunkt der Zurverfügungstellung von Anlagen, Geräten und Trägern, mit denen Privatkopien angefertigt werden können, zahlen. So werden mittelbar alle Nutzer bestraft, da sie zwangsläufig zum Ausgleich des Schadens beitragen, der durch private Vervielfältigungen entsteht, die auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden. Somit müssen die Nutzer nicht unerhebliche Zusatzkosten in Kauf nehmen, um Privatkopien anfertigen zu können.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 58 vom 10.4.2014
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