15.11.2016

Keine Bierwerbung mit dem Begriff "bekömmlich"

Eine Brauerei darf ihre Biersorten nicht mit dem Begriff "bekömmlich" bewerben. Angaben zu von der "Health-Claims-Verordnung" erfassten alkoholischen Getränken müssen frei von jeder Mehrdeutigkeit sein.

OLG Stuttgart 3.11.2016, 2 U 37/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verband, zu dessen Aufgaben u.a. die Durchsetzung der Regeln des lauteren Wettbewerbs für seine Mitglieder gehört. Die Beklagte ist eine Brauerei in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Beklagte bewarb im Jahr 2015 drei ihrer Biersorten mit dem Begriff "bekömmlich":
  • Für die Biersorte " -Gold" mit einem Alkoholgehalt von 5,1 % warb sie u.a. mit dem Satz: "Bekömmlich, süffig - aber nicht schwer."
  • Der Sorte "Hopfenleicht" mit einem Alkoholgehalt von 2,9 % schrieb sie u. a. die Aussage " feinwürzig und herzhaft im Geschmack, erfrischend bekömmlich für den großen und kleinen Durst" zu.
  • Die Sorte " -Hell" mit einem Alkoholgehalt von 4,4 % bewarb sie u.a. mit dem Satz: "Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus, wodurch es besonders bekömmlich wird."

Der Kläger ist der Ansicht, diese Werbung verstoße gegen § 3a UWG i.V.m. den Vorschriften der "Health-Claims-Verordnung" des EU-Parlaments und des Rates vom 20.12.2006. Nach dieser Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Beklagte hält den Begriff "bekömmlich" in den relevanten Kontexten hingegen nicht für eine gesundheitsbezogene Angabe, sondern für eine Darstellung der Genusswürdigkeit, insbesondere der geschmacklichen Aspekte, der beworbenen Biersorten.

Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher verstehe die Bezeichnung eines Lebensmittels als "bekömmlich" so, dass es dem Konsumenten "gut bekomme" oder bei Nahrungsaufnahme gut vertragen werde und dem physischen Befinden entweder förderlich oder zumindest nicht abträglich sei. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Die beanstandete Werbung verstößt gegen § 3a UWG i.V.m. den Vorschriften der "Health-Claims-Verordnung".

Das OLG hat sich insbesondere auf eine Entscheidung des EuGH gestützt (Urteil vom 6.9.2012, C-544/10 - Deutsches Weintor). Diesem Urteil ist zwar keine generelle Aussage zur Verwendung der Bezeichnung "bekömmlich" für alkoholische Getränken zu entnehmen, denn im konkreten Fall stand der Begriff - anders als im Streitfall - im Zusammenhang mit einem Hinweis auf den reduzierten Säuregehalt des beworbenen Weins. Dem Urteil lässt sich aber in allgemeiner Form entnehmen, dass Angaben zu den (von der Verordnung erfassten) alkoholischen Getränken frei von jeder Mehrdeutigkeit sein müssen. Darüber hinaus hat der EuGH einen Gesundheitsbezug auch dann bejaht, wenn mit einer Angabe impliziert wird, dass negative oder schädliche Auswirkungen für die Gesundheit, die normalerweise mit dem Konsum verbunden sind, bei dem beworbenen Produkt fehlen oder geringer ausfallen.

Soweit der BGH in einem Vorlagebeschluss vom 13.1.2011 (I ZR 22/09 - Gurktaler Kräuterlikör) die Bezeichnung "bekömmlich" in anderem Kontext für zulässig gehalten hat, ist zu berücksichtigen, dass dieser Beschluss vor dem genannten Urteil des EuGH ergangen ist. Nach den gängigen Wörterbüchern ist der Begriff "bekömmlich" gleichzusetzen mit "zuträglich", "leicht verdaulich" oder "gesund". Auch der Begriff "zuträglich" schließt nicht nur ein allgemeines Wohlbehagen ein, sondern ist im Sinne eines "Langzeitversprechens" zu verstehen, dass das beworbene Lebensmittel auch bei längerem Konsum in keiner Weise schadet. Dass manche Konsumenten die Brauerei der Beklagten mit dem Werbespruch "Wohl bekomm's" in Verbindung bringen, schränkt den Aussagegehalt nicht ein. "Wohl bekomm's" ist - im Sinne eines Trinkspruchs -  ein Wunsch, "bekömmlich" dagegen ein Versprechen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf das Antragsverfahren nach Art. 1 Abs. 4 der Verordnung. Nach dieser Vorschrift kann für Bezeichnungen, die "traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten", eine Ausnahme vom Verbot gesundheitsbezogener Angaben zugelassen werden. Es ist nicht fernliegend, über dieses Verfahren einen Interessenausgleich zu finden. Ohne eine solche Befreiung, die bislang nicht erteilt worden ist, kann vom Verbot gesundheitsbezogener Angaben jedoch nicht abgesehen werden.

OLG Stuttgart PM vom 3.11.2016
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