29.11.2012

Keine Verjährung der Ansprüche trotz Kenntnis des Prozessbevollmächtigten vom BaFin-Bericht

Im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist genügt für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nicht, dass dem Prozessbevollmächtigten der Kläger der Prüfbericht der BaFin bekannt gewesen war. Dies gilt vor allem, wenn die Prüfer lediglich eine Vermutung aufstellen, dass ein Teil des Kaufpreises an die Vertriebsgesellschaft zurückgeflossen sei, deren Umfang nicht nachvollzogen werden könne.

OLG Karlsruhe 27.11.2012, 17 U 236/11
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten im Dezember 1993 über einen Untervermittler einer Immobilien-Vertriebsgesellschaft (H&B) zum Zwecke der Steuerersparnis eine Eigentumswohnung gekauft. Die H&B vertrieb seit dem Jahre 1990 in großem Umfang von der beklagten Bausparkasse finanzierte Anlageobjekte. Zur Finanzierung des Gesamtaufwandes schlossen die Kläger einen Darlehensvertrag über ein sog. Vorausdarlehen und zwei nacheinander anzusparende Bausparverträge mit der Beklagten. In dem von den Klägern unterzeichneten Formular war eine Gebühr für die Finanzierungsvermittlung i.H.v. 2,4 % des Kaufpreises und eine Courtage von 3,45 % ausbedungen. Anfang Dezember 1993 erwarben die Kläger von der Verkäuferin eine 66,24 m² große Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 175.152 DM.

Tatsächlich hatte die H&B von der der Verkäuferin zusätzliche Provisionen von mehr als 15 % des Kaufpreises erhalten. Im Mai 2001 hatte die BaFin die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und Touche mit der Prüfung des Geschäfts der beklagten Bausparkasse mit der H&B beauftragt. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, ob die Gewährung der Darlehen an die von H&B vermittelten Kunden von der Beklagten ordnungsgemäß vorgenommen wurden. Die Prüfer stellten lediglich eine Vermutung auf, dass ein Teil des Kaufpreises an die Vertriebsgesellschaft zurückgeflossen sei, deren Umfang nicht nachvollzogen werden könne.

Am 20.12.2004 beauftragten die Kläger ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit ihrer am 29.12.2008 beim LG eingegangenen Klage begehren sie Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzung durch die Beklagte aufgrund eines Wissensvorsprunges von der arglistigen Täuschung über die im Kaufpreis versteckten Provisionen. Das LG wies die Klage wegen Verjährung ab. Auf die Berufung der Kläger hob das OLG das Urteil auf und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rund 110.000 € Zug um Zug gegen Rückübertragung der Eigentumswohnung. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Den Klägern steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch zu.

Die Kläger waren jedenfalls über die Höhe der insgesamt anfallenden Vertriebsprovisionen von den Vermittlern arglistig getäuscht worden. Die Angaben in dem Formular zu den Provisionen waren objektiv unrichtig, da die H&B von der Verkäuferin zusätzliche Provisionen von mehr als 15 % des Kaufpreises erhalten hatte. Aufgrund der BGH-Rechtsprechung mit der Beweiserleichterung bei institutionalisiertem Zusammenwirken von Verkäufer, Vermittler und finanzierender Bank wird der Wissensvorsprung der beklagten Bank über die arglistige Täuschung widerleglich vermutet. Diese Vermutung hat die Beklagte hier nicht widerlegt.

Der Schadensersatzanspruch war auch nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist, die erst ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anspruchs beginnt, läuft drei Jahre. Als die Kläger im November 2010 ihre Klageerweiterung auf die Kenntnis von einer arglistigen Täuschung über die Vermittlungsprovision gestützt hatten, war diese dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen. Denn für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht, dass dem Prozessbevollmächtigten der Kläger 2004 der Prüfbericht der BaFin bekannt gewesen war. Aus dem Prüfbericht ergab sich nicht einmal die Kenntnis der Kläger über ein einheitliches Handeln der Verkäuferseite. Vielmehr stellten die Prüfer lediglich eine Vermutung auf, dass ein Teil des Kaufpreises an die Vertriebsgesellschaft zurückgeflossen sei, deren Umfang nicht nachvollzogen werden könne.

Somit hätten die Anleger auf der Basis dieser Information über eine "generelle Provisionspraxis" der H&B die Anleger nicht einmal den schlüssigen Vorwurf einer arglistigen Täuschung durch den Vertrieb bei dem Anlageobjekt im vorliegenden Fall erheben können. In dem Bericht war weder die tatsächliche Höhe der aus dem Kaufpreis abgezweigten Provisionszahlungen angegeben, noch wurde die Relation zu den im Formular angegebenen Provisionssätzen deutlich. Danach konnten die Anleger allenfalls argwöhnen. Auf einen bloßen Verdacht und die hieraus abgeleitete Vermutung, es könne auch in ihrem Fall so gewesen sein, konnten sie jedoch keine Klage stützen. Außerdem hatten die Kläger aufgrund des Prüfberichts keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass die beklagte Bausparkasse selbst Kenntnis von den Angaben des Vertriebs in den Formularen und der darin liegenden arglistigen Täuschung gehabt habe.

OLG Karlsruhe PM v. 27.11.2012
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