11.08.2016

Klage gegen den Zwangsumtausch von griechischen Staatsanleihen von Rechtsschutzversicherung gedeckt

Eine Klage auf Rückzahlung griechischer Staatsanleihen, die von der Hellenischen Republik wegen des Zwangsumtausches der Anleihen durch den Greek Bondholder Act verweigert wird, ist nicht vom Deckungsschutz in einer Rechtschutzversicherung durch eine Klausel ausgeschlossen, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht. Für die Auslegung kommt es auf die Verständnismöglichkeiten und auch auf die Interessen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an.

BGH 20.7.2016, IV ZR 245/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhält eine Rechtsschutzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2004) des Versicherers zugrunde, deren §§ 2 und 3 die Leistungsarten bzw. Ausgeschlossenen Rechtsangelegenheiten beinhalten. Unter d) war geregelt, dass in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten kein Rechtsschutz besteht. Die Beklagte ist das vom Versicherer beauftragte Schadenabwicklungsunternehmen.

Der Kläger begehrte Rechtsschutz für eine Klage gegen die Hellenische Republik. Er hatte im Jahre 2010 Staatsanleihen des griechischen Staates erworben, deren Nominalwert 10.000 € betrug, bevor sie auf Grundlage im Februar 2012 durch den sog. Greek Bondholder Act, konvertiert und gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert ausgetauscht wurden. Der Kläger akzeptierte den Zwangsumtausch nicht und wollte mit der beabsichtigten Klage gegen die Hellenische Republik, die die Rückzahlung der ursprünglich im August 2012 fälligen Anleihen verweigerte, einen Zahlungsanspruch Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der zugunsten des Klägers im Zuge des Umtausches eingebuchten Wertpapiere geltend machen. Hilfsweise sollten Ansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden.

Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage unter Berufung auf § 3 der ARB abgelehnt. In Enteignungsangelegenheiten genieße der Kläger keinen Rechtsschutz. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die beabsichtigte Klage fällt unter das versicherte Risiko.

Der Anspruch ist nicht durch § 3 d) der ARB des Versicherers ausgeschlossen. Der Begriff "Enteignungsangelegenheiten" ist aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, dass er nur Enteignungen erfasst, die - anders als im Streitfall - einen Grundstücksbezug aufweisen. Der verwendete Begriff "Enteignung" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Angelegenheiten" führt aber dazu, dass ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist. Demgemäß kommt es für die Auslegung auf die Verständnismöglichkeiten und auch auf die Interessen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an.

Die Ausschlussklausel verfolgt den für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren Streitigkeiten von der Versicherung auszunehmen, von denen nur ein regional begrenzter Kreis von Rechtsinhabern betroffen ist, weil sich die aufgezählten hoheitlichen Maßnahmen oder Planungen nachteilig auf Grundstücke oder Rechte an Grundstücken auswirken. Das nur dieser Minderheit drohende hohe Kostenrisiko soll nicht der Risikogemeinschaft aller Versicherten aufgebürdet werden.

Das Geltendmachen von Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit einem gesetzlich angeordneten Umtausch von Inhaberschuldverschreibungen eines Staates ist deshalb bei der gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungsangelegenheiten i.S.d. § 3 d) der ARB des Versicherers anzusehen. Unabhängig hiervon könnte die in Rede stehende Ausschlussklausel selbst dann nicht zum Zuge kommen, wenn man ihr Eingreifen grundsätzlich auch außerhalb der Enteignung von Grundstücken für möglich hielte. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Regelung bei der gebotenen engen Auslegung nämlich jedenfalls so verstehen, dass eine Enteignungsangelegenheit nur dann vorliegt, wenn er sich unmittelbar gegen eine enteignende oder enteignungsgleiche Maßnahme zur Wehr setzen will.

Linkhinweise:

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