27.04.2012

Nicht jeglicher Zusatz zur Widerrufsbelehrung ist ausgeschlossen

Eine Widerrufsbelehrung mit dem einleitenden Satz "Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht" verstößt nicht gegen das Deutlichkeitsgebot. Der Unternehmer braucht auch nicht zu prüfen, ob die Adressaten der Widerrufsbelehrung Verbraucher oder Unternehmer sind und muss nicht dafür einstehen, dass ein Verbraucher sich irrtümlich nicht für einen Verbraucher und damit für nicht widerrufsberechtigt hält.

BGH 9.11.2011, I ZR 123/10
Der Sachverhalt:
Die beiden Parteien vertreiben über das Internet Elektroartikel. Sie streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer vom Kläger im März 2009 auf seiner Internetseite verwandten Widerrufsbelehrung. Auf der Internetseite des Klägers befand sich zum damaligen Zeitpunkt unter der Rubrik "Informationen" ein mit "Widerrufsbelehrung" bezeichneter elektronischer Verweis (Link) auf eine - nachstehend wiedergegebene - abrufbare Widerrufsbelehrung, die inhaltlich der Musterbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 u. 3 BGB-InfoV entsprach. Zwischen Überschrift und Musterbelehrung befand sich noch der Einleitungssatz "Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht"

Der Beklagte war der Ansicht, bei dem Einleitungssatz handele es sich nicht um eine klare und verständliche Widerrufsbelehrung i.S.v. § 312c Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung; im Weiteren: § 312c, § 355 BGB a.F.). Der Satz lasse den Leser im Unklaren darüber, ob er selbst als Verbraucher anzusehen sei. Der Beklagte mahnte den Kläger daher mit Anwaltsschreiben ab und verlangte Zahlung der Abmahnkosten i.H.v. 755,80 €. Der Kläger hielt dagegen, dass er sich mit dem beanstandeten Einleitungssatz exakt an die gesetzlichen Vorgaben gehalten habe. Der durchschnittliche Kaufinteressent sei mit dem Verständnis des Begriffs "Verbraucher" nicht überfordert.

LG und OLG haben festgestellt, dass dem Beklagten aus der Abmahnung kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger zusteht. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte zu Recht angenommen, dass dem Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312c Abs. 1 S. 1, § 312d Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. zusteht.

Wegen der großen Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft schreibt Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB ausdrücklich vor, dass der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Vertragsschluss in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich über dieses Recht und seine Einzelheiten informieren muss. Dieser gesetzlichen Vorgabe genügte die vom Kläger auf seiner Internetseite verwandte Widerrufsbelehrung. Sie entsprach inhaltlich der Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV (jetzt Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 S. 1 EGBGB) und genügte damit nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F.

Die hinreichende Klarheit und Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung wurde auch nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger ihr den Einleitungssatz "Verbraucher haben das folgende gesetzliche Widerrufsrecht" vorangestellt hatte. Zwar darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten, allerdings soll nicht schlechthin jeglicher Zusatz zur Belehrung ausgeschlossen werden. Insofern war vor allem zu berücksichtigen, dass die beanstandete Überschrift schon deshalb inhaltlich nichts an der dem gesetzlichen Muster entsprechenden Widerrufsbelehrung änderte, weil sie sich außerhalb des eigentlichen Textes der Belehrung befand. Die Überschrift war somit nicht Teil der Widerrufsbelehrung selbst.

Der Unternehmer braucht auch nicht zu prüfen, ob die Adressaten der Widerrufsbelehrung Verbraucher oder Unternehmer sind, da ihm eine solche Prüfung bei einem Fernabsatzgeschäft häufig nicht möglich ist. Er hat auch nicht dafür einzustehen, dass ein Verbraucher sich irrtümlich nicht für einen Verbraucher und damit für nicht widerrufsberechtigt hält. Eine derart weitgehende Verpflichtung kann den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnommen werden. Infolgedessen hat die beanstandete Widerrufsbelehrung des Klägers nicht gegen das Transparenzgebot der § 312c Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. verstoßen. Da die Abmahnung des Beklagten demzufolge unbegründet war, hat er auch keinen Kostenerstattungsanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG gegen den Kläger.

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