13.11.2013

Rechtsprechungsänderung des BGH im Hinblick auf Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst

Seit der Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 sind an den Urheberrechtschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen als an den von Werken der zweckfreien Kunst. Durch diese Reform wurde mit dem Geschmacksmusterrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen, weshalb die alte BGH-Rechtsprechung nicht bestehen bleiben konnte.

BGH 13.11.2013, I ZR 143/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist selbständige Spielwarendesignerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Klägerin hatte im Jahr 1998 für die Beklagte u.a. Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen ("Geburtstagszug") gezeichnet. Dafür erhielt sie damals ein Honorar von 400 DM. Später war die Klägerin der Ansicht, bei ihren Entwürfen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke. Die vereinbarte Vergütung sei - jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs des Geburtstagszugs - zu gering. Sie nahm die Beklagte auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass nach der hergebrachten BGH-Rechtsprechung bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich seien, höhere Anforderungen an die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen seien als bei Werken der zweckfreien Kunst. Die Entwürfe der Klägerin genügten diesen Anforderungen allerdings nicht.

Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf soweit ein Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwertungshandlungen, die nach dem 1.6.2004 vorgenommen worden waren, abgelehnt wurde und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Zu Unrecht war das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, höhere Anforderungen an die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst.

Zwar hatte der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, damit begründet, dass für solche Werke der angewandten Kunst mit dem Geschmacksmusterrecht ein dem Urheberrecht wesensgleiches Schutzrecht zur Verfügung stehe. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung abheben müsse, sei für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern.

An dieser Rechtsprechung konnte allerdings im Hinblick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 nicht festgehalten werden. Durch diese Reform wurde mit dem Geschmacksmusterrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und der enge Bezug zum Urheberrecht wurde beseitigt. Insbesondere setzt der Schutz als Geschmacksmuster nicht mehr eine bestimmte Gestaltungshöhe, sondern die Unterschiedlichkeit des Musters voraus. Da zudem Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz sich nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen können, rechtfertigt der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist, es nicht, ihr den Urheberrechtsschutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen.

An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind deshalb grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer "künstlerischen" Leistung zu sprechen.

Dies gilt auch für die im vorliegenden Fall im Jahr 1998 angefertigten Entwürfe der Klägerin. Diese hat allerdings keinen Anspruch auf Vergütung, soweit die Beklagte ihre Entwürfe vor dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes am 1.6.2004 verwertet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte die Beklagte im Blick auf die hergebrachte BGH-Rechtsprechung darauf vertrauen, wegen einer Verwertung dieser Entwürfe nicht auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch genommen zu werden.

Im weiteren Verfahren muss das Berufungsgericht nun prüfen, ob von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Gestaltunghöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 186 vom 13.11.2013
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