31.07.2015

Risikozuschlag nach Tarifwechsel in der PKV von Tarif mit Pauschalprämie in günstigeren Tarif mit Grundprämie

Ein privater Krankenversicherer ist grundsätzlich berechtigt, beim Wechsel von einem Tarif mit Pauschalprämie, in die das durch Vorerkrankungen des Versicherten bedingte Risiko zuschlagsfrei einkalkuliert war, in einen Tarif mit Grundprämie für ein Basisrisiko und Risikozuschlägen einen individuellen Risikozuschlag gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 203 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 316 BGB zu erheben.

BGH 15.7.2015, IV ZR 70/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte bei dem von ihm beabsichtigten Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung keinen Risikozuschlag erheben darf. Er unterhält bei der Beklagten seit 1998 eine Krankheitskostenversicherung nach den Tarifen VS und V (Herkunftstarif). In seinem im April 1998 gestellten Antrag hatte er bei den Gesundheitsfragen "Nierensteinzertrümmerung rechts" angegeben. Die nach dem Vortrag der Beklagten aufgrund dieser Angabe vorgenommene Risikoeinstufung wurde von ihr im Herkunftstarif zum Pauschaltarif ohne Risikozuschlag mitversichert. Der Kläger zahlte für den Herkunftstarif zuletzt rd. 350 € mtl.

Im November 2010 beantragte der Kläger den Wechsel in einen Kompakttarif der Beklagten (Zieltarif). Die Beklagte verlangte für den Fall des Tarifwechsels die Zahlung eines mtl. Risikozuschlags i.H.v. zuletzt rd. 33 €, insgesamt für den Zieltarif rd. 270 €. Da es der Kläger ablehnte, die Vereinbarung zum Risikozuschlag zu unterzeichnen, kam der gewünschte Tarifwechsel bislang nicht zustande. Der Kläger beantragt die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, bei einem Wechsel des Klägers in der bestehenden Krankheitskostenversicherung aus dem Herkunftstarif in den Zieltarif neben der Vereinbarung eines Leistungsausschlusses hinsichtlich der Mehrleistung einen Risikozuschlag zu verlangen.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, die Beklagte dürfe bei einem Wechsel aus dem Herkunfts- in den Zieltarif keinen Risikozuschlag verlangen. Vielmehr kann die Beklagte einen solchen gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 203 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 316 BGB erheben.

Wechselt ein Versicherungsnehmer aber aus einem Tarif mit einer Pauschalprämie, in die das durch Vorerkrankungen des Versicherten bedingte Gesamtrisiko einkalkuliert war, in einen Tarif mit Grundprämie für ein Basisrisiko und individuellen Risikozuschlägen, so ist der Versicherer nicht gehindert, im Zieltarif Risikozuschläge zu erheben, sofern dieser dies für die Risikoklasse vorsieht, in die der Versicherer bei Abschluss der Versicherung den Versicherten eingestuft hatte. Ein Recht auf Freiheit von Risikozuschlägen auch in einem völlig anders kalkulierten Tarif erwirbt der Versicherungsnehmer mit dem Abschluss des Vertrages zu einer Pauschalprämie nicht.

Die Rechtfertigung für die Erhebung eines Risikozuschlags liegt darin, dass die Krankenversicherung auch im bisherigen Tarif mit den bei Vertragsbeginn bereits vorhandenen Erkrankungen nur gegen eine verhältnismäßig hohe Prämie abgeschlossen werden konnte. Würde der Versicherte zu dem preiswerteren Grundbeitrag des neuen Tarifs ohne jeden Risikozuschlag versichert, läge darin eine Begünstigung, die weder gegenüber dem Versicherer noch gegenüber neuen Versicherungsnehmern sachlich gerechtfertigt wäre. Da das Tarifwechselrecht den Versicherungsnehmer nur vor überhöhten, nicht aber vor risikogerechten Beiträgen schützen soll, muss der Gefahr vorgebeugt werden, dass ein Versicherungsnehmer mit einem "schlechten Risiko" eine Krankenversicherung im Pauschaltarif abschließt, um anschließend unter Berufung auf sein Tarifwechselrecht und unter Umgehung der strengen Risikoprüfung in den günstigeren Zieltarif zu wechseln.

Der Versicherer ist mithin grundsätzlich berechtigt, beim Wechsel von einem Tarif mit Pauschalprämie in einen Tarif mit Grundprämie für ein Basisrisiko und Risikozuschlägen einen individuellen Risikozuschlag zu erheben. Diese Befugnis ergibt sich aus § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 203 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 316 BGB. Vorliegend besteht zwischen dem Ausgangs- und dem Zieltarif eine unterschiedliche Kalkulationsstruktur, die es der Beklagten ermöglicht, einen individuellen Risikozuschlag zu verlangen. Der Ausgangstarif enthielt eine Grundprämie, die eine große Bandbreite möglicher Risiken abdeckte, die sich im Rahmen der Risikoprüfung ergaben. Risikozuschläge wurden nur selten erhoben. Aus diesem Grund war die Prämie dieses Ausgangstarifs höher kalkuliert. Der erst seit dem Jahr 2007 bestehende Zieltarif deckt demgegenüber nur wenige Risiken über die Grundprämie ab. Der Ausgleich zwischen dem sich ergebenden niedrigeren Versicherungsbeitrag und dem abzudeckenden Gesamtschaden wird sodann über individuelle Risikozuschläge vorgenommen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind unbegründet.

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