20.02.2017

TV im Hotelzimmer: Übernachtungspreis stellt kein Eintrittsgeld dar

Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 ist dahin auszulegen, dass die Wiedergabe von Fernseh- und Hörfunksendungen über in Hotelzimmern aufgestellte Fernsehgeräte keine Wiedergabe an einem Ort darstellt, der der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgelds zugänglich ist. Dies gilt, obwohl sich Fernsehgeräte etwa auf den Standard des Hotels und damit auf den Preis der Zimmer auswirken.

EuGH 16.2.2017, C‑641/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Verwertungsgesellschaft Rundfunk. Sie kümmert sich um die kollektive Verwertung von Urheberrechten, deren Bezugsberechtigte zahlreiche im Gebiet Österreichs bzw. in Mitgliedstaaten ansässige Rundfunkanstalten sind. Sie nimmt bestimmte Rechte des geistigen Eigentums ihrer Bezugsberechtigten wahr, so u.a. bei der öffentlichen Wiedergabe durch Rundfunksendungen (vergleichbar mit der GEMA in Deutschland). Die Beklagte ist die österreichische Gesellschaft Hettegger Hotel Edelweiss. Sie betreibt ein Hotel in Großarl (Österreich), das über einen Kabelfernsehanschluss verfügt, von dem verschiedene Fernseh- und Hörfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig über Kabel zu den in den Hotelzimmern aufgestellten Fernsehgeräten weitergeleitet werden.

Die Verwertungsgesellschaft Rundfunk hatte gegen Hettegger Hotel Edelweiss beim Handelsgericht Wien Klage zum einen auf Erteilung von Auskunft über die Rundfunk- und Fernsehprogramme, die empfangen werden können, und die Anzahl der betroffenen Hotelzimmer und zum anderen auf Schadensersatz erhoben. Sie war der Ansicht, mit der Bereitstellung von Fernsehgeräten in ihren Hotelzimmern und der Wiedergabe von Fernseh- und Rundfunksendungen über diese Geräte nehme die Beklagte eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. § 76a UrhG u. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 vor. Der Zimmerpreis sei als Eintrittsgeld i.S.d. Vorschriften zu verstehen, da er von dem Fernsehangebot im Hotel beeinflusst sei. Diese öffentliche Wiedergabe bedürfe daher einer Bewilligung sowie der Zahlung eines Entgelts.

Das Handelsgericht war der Auffassung, dass für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit die Auslegung von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 erforderlich sei und legte die Sache dem EuGH zur Entscheidung vor. Dieser sah in dem Preis, den der Gast für sein Hotelzimmer bezahlt, kein Eintrittsgeld i.S.d. der Vermiet- und Verleih-Richtlinie.

Die Gründe:
Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115/EG des EU-Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass die Wiedergabe von Fernseh- und Hörfunksendungen über in Hotelzimmern aufgestellte Fernsehgeräte keine Wiedergabe an einem Ort darstellt, der der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgelds zugänglich ist.

Was die Auslegung der Wendung "Ort, der der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich ist" angeht, so soll die Richtlinie 2006/115, wie aus ihrem siebten Erwägungsgrund hervorgeht, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in der Weise angleichen, dass sie nicht in Widerspruch u. a. zum Rom-Abkommen stehen. Daher sind, auch wenn dieses Abkommen nicht Teil der Unionsrechtsordnung ist, die in der Richtlinie 2006/115 enthaltenen Begriffe insbesondere im Licht dieses Abkommens so auszulegen, dass sie mit den gleichen Begriffen in dem Abkommen vereinbar bleiben, wobei auch der Kontext dieser Begriffe und die Zielsetzung der einschlägigen Bestimmungen des Abkommens zu berücksichtigen sind. Im vorliegenden Fall stimmt die Tragweite des in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 vorgesehenen Rechts der öffentlichen Wiedergabe mit derjenigen des Rechts aus Art. 13d des Rom-Abkommens überein, der sie gemäß seiner in Art. 8 Abs. 3 übernommenen Formulierung auf "Orte" beschränkt, "die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind".

Der Preis eines Hotelzimmers stellt jedoch - ebenso wie das Entgelt für eine gastronomische Dienstleistung - kein Eintrittsgeld dar, das speziell als Gegenleistung für die öffentliche Wiedergabe einer Fernseh- oder Hörfunksendung verlangt wird, sondern er ist vielmehr als Gegenleistung für eine Beherbergungsleistung zu sehen, zu der, je nach Hotelkategorie, bestimmte Zusatzleistungen wie die Wiedergabe von Fernseh- und Hörfunksendungen mit Hilfe von Empfangsgeräten, mit denen die Zimmer ausgestattet sind, hinzutreten, die normalerweise unterschiedslos im Übernachtungspreis enthalten sind. Auch wenn sich etwa die Fernsehgeräte auf den Standard des Hotels und damit auf den Preis der Zimmer auswirken, kann nicht angenommen werden, dass diese Zusatzleistung an einem Ort angeboten wird, der i.S.v. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgelds zugänglich ist.

Linkhinweis:

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