14.01.2013

Urheberrechtsverletzung: Missbräuchliche Abmahnung führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage

Eine missbräuchliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung führt grundsätzlich nicht zum Erlöschen des Unterlassungsanspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG und zur Unzulässigkeit einer nachfolgenden Klage. Hätte eine missbräuchliche Abmahnung zur Folge, dass der Verletzte seine Ansprüche auch nicht mehr gerichtlich geltend machen könnte und eine nachfolgende Klage unzulässig wäre, müsste er die Rechtsverletzung endgültig hinnehmen; für eine derart weitgehende Einschränkung seiner Rechte gibt es keinen sachlichen Grund.

BGH 31.5.2012, I ZR 106/10
Der Sachverhalt:
Die Beklagte zu 3) vermarktet und vermittelt Ferienwohnungen auf der Insel Usedom. Der Beklagte zu 2), einer ihrer beiden Geschäftsführer, beschloss, bestimmte Ferienwohnungen, die bisher ein Hotelkomplex mitverwaltet hatte, ab Januar 2008 über die Internetseite "ferienluxuswohnung.de" selbst zu vermarkten. Die Beklagte zu 3) wurde Inhaberin des Domainnamens; der Beklagte zu 1) beteiligte sich als Eigentümer einer Ferienwohnung an dem Projekt.

Der Kläger übernahm die Gestaltung der Webseite. Er fertigte zur Darstellung der Ferienwohnungen und ihres Umfeldes drei Lichtbilder an, die er im November 2007 zusammen mit weiteren Fotografien auf der Internetseite "ferienluxuswohnung.de" einstellte. Im Februar 2008 bemerkte der Kläger, dass die von ihm gestaltete Webseite einschließlich der Fotografien auch über vier weitere Internetseiten aufgerufen werden konnte; die Beklagten zu 1) und 2) sind jeweils Inhaber von zwei dieser Internetseiten.

Der Kläger trägt vor, die Beklagten hätten die von ihm gestaltete Webseite einschließlich der drei Fotografien auf ihre Internetseiten hochgeladen. Er ist der Ansicht, sie hätten dadurch seine Rechte an den Lichtbildern verletzt. Der Kläger verlangt von den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - es zu unterlassen, die von ihm hergestellten drei Lichtbilder über die genannten Domainnamen zu verbreiten, zu vervielfältigen oder zu veröffentlichen, ohne ihn als Urheber zu bezeichnen, ohne ihm eine Vergütung zu zahlen und ohne über seine Zustimmung zu verfügen. Darüber hinaus nimmt er die Beklagten aus Auskunftserteilung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.

Das OLG hat angenommen, für die Frage des Rechts-missbrauchs komme es im Urheberrecht - wie im Wettbewerbsrecht - nicht allein auf die gerichtliche Inanspruchnahme, sondern auch, und zwar entscheidend, auf die Abmahnung an. Sei die Abmahnung missbräuchlich, erlösche der Unterlassungsanspruch und sei eine Unterlassungsklage mangels Klagebefugnis selbst dann unzulässig, wenn sie nur in eingeschränktem Umfang erhoben werde. Dem kann nicht zugestimmt werden. Eine missbräuchliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung führt grundsätzlich nicht zum Erlöschen des Unterlassungsanspruchs und zur Unzulässigkeit einer nachfolgenden Klage.

Das UrhG regelt nicht die Folgen einer missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen. Eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG im Urheberrecht kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke besteht. Allerdings gilt auch für urheberrechtliche Ansprüche das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB. Die im Wettbewerbsrecht zur missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen entwickelten Rechtsgrundsätze beruhen gleichfalls auf dem Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung. Sie können daher grundsätzlich auch für das Urheberrecht fruchtbar gemacht werden. Dabei sind allerdings die zwischen beiden Rechtsgebieten bestehenden Unterschiede zu beachten.

Im Wettbewerbsrecht führt eine i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG missbräuchliche außergerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass der Unterlassungsanspruch auch nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden kann und eine nachfolgende - für sich genommen nicht missbräuchliche - Klage unzulässig ist. Dieser Grundsatz kann nicht ohne weiteres auf das Urheberrecht übertragen werden. Der Regelung des § 8 Abs. 4 UWG kommt neben der Aufgabe der Bekämpfung von Missbräuchen bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auch die Funktion eines Korrektivs gegenüber der weit gefassten Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG zu. Denn nach § 8 Abs. 3 UWG kann ein und derselbe Wettbewerbsverstoß durch eine Vielzahl von Anspruchsberechtigten verfolgt werden.

Bei der Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem UrhG geschützten Rechts ist dagegen allein der Verletzte berechtigt, Ansprüche geltend zu machen (§ 97 UrhG). Die Berechtigung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen besteht nicht auch im Interesse der Allgemeinheit, sondern allein im Interesse des Verletzten. Hätte eine missbräuchliche Abmahnung zur Folge, dass der Verletzte seine Ansprüche auch nicht mehr gerichtlich geltend machen könnte und eine nachfolgende Klage unzulässig wäre, müsste er die Rechtsverletzung endgültig hinnehmen. Für eine so weitgehende Einschränkung seiner Rechte gibt es keinen sachlichen Grund.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück