20.05.2014

Urheberschutz für spirituelle Texte

Für spirituelle Texte, die nach Behauptung ihres Verfassers auf übersinnliche Inspirationen zurückgehen oder in aktiven Wachträumen empfangen worden sein sollen, besteht Urheberschutz. Für die Begründung von Urheberschutz kommt auf den tatsächlichen Schaffensvorgang an, während der geistige Zustand des Werkschaffenden unerheblich ist.

OLG Frankfurt a.M. 13.5.2013, 11 U 62/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine amerikanische Stiftung. Sie nimmt den beklagten deutschen Verein wegen urheberrechtswidrigen Veröffentlichungen von Textpassagen aus dem Buch "A Course in Miracles" auf Unterlassung in Anspruch. Der streitbefangene Text wurde von S, einer US-amerikanischen Professorin für Psychiatrie, ab den 1960er Jahren niedergeschrieben und überarbeitet. S gab zu ihren Lebzeiten an, der Text sei ihr in aktiven Wachträumen von Jesus von Nazareth eingegeben und von ihr aufgezeichnet worden.

1975 stellte S eine redaktionell überarbeitete Version fertig, die sog. C-Fassung, die zum amerikanischen Copyright-Register angemeldet wurde. Die Klägerin, die sich auf die Übertragung dieser Copyright-Rechte beruft, wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die öffentliche Wiedergabe von Textpassagen aus der C-Fassung im Internet durch den beklagten Verein. Diese macht demgegenüber geltend, ein Urheberrecht der Klägerin könne nicht verletzt sein, weil S gar nicht Urheberin des Textes gewesen sei. Vielmehr habe diese selbst angegeben, dass der Text Resultat eines Diktats gewesen sei, das sie von Jesus von Nazareth empfangen habe.

Das LG gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die klagende Stiftung kann gem. § 97 Abs. 1 UrhG von dem Beklagten verlangen, dass dieser die Veröffentlichung der Texte unterlässt.

S als die Rechtsvorgängerin der Klägerin ist gesetzlich als Urheberin des streitbefangenen Textes anzusehen. Der Ansicht des Beklagten, S sei bei der Entstehung der Schrift lediglich die Rolle einer Gehilfin oder Schreibkraft ohne jeden individuellen persönlichen Gestaltungsspielraum zugekommen, weshalb sie nicht als Urheberin anzusehen sei, kann nicht gefolgt werden. Nach allgemein vertretener Auffassung sind jenseitige Inspirationen rechtlich uneingeschränkt ihrem menschlichen Empfänger zuzurechnen.

Für diese Auffassung spricht, dass es für die Begründung von Urheberschutz auf den tatsächlichen Schaffensvorgang - den schöpferischen Realakt - ankommt und der geistige Zustand des Werkschaffenden unerheblich ist. Daher können auch Geistesgestörte, Hypnotisierte und in Trance befindliche Personen Urheber sein. Die Behauptung, das von einem menschlichen Schöpfer hervorgebrachte Werk verdanke seine Entstehung ausschließlich metaphysischen Einflüssen, steht einer Zuordnung des Werkes zu seinem menschlichen Schöpfer und der Zubilligung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen.

OLG Frankfurt a.M. PM vom 14.5.2014
Zurück