20.06.2017

Verbraucherdarlehensvertrag: Verwirkung des Widerrufsrechts

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt.

LG Hamburg 18.1.2017, 335 O 244/15
Der Sachverhalt:
Die Kläger und die Beklagte hatten im Juni 2003 einen Darlehensvertrag über einen Betrag von 208.000 € abgeschlossen. Hierbei unterzeichneten die Kläger auch eine Widerrufsbelehrung. Im Jahr 2008 vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Darlehens mit einem neuen Zinssatz. Im September 2012 verkauften die Kläger ihre mit dem Darlehen finanzierte Immobilie und kündigten den Darlehensvertrag, nachdem zuvor mit der Beklagten bereits eine Tilgungsaussetzung vereinbart war, die dann nicht verlängert wurde. Die im Grundbuch gesicherte Darlehenssumme wurde an die Beklagte überwiesen. Diese rechnete das Darlehen ab und stellte den Klägern eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 43.909,95 € in Rechnung, die durch die Kläger beglichen wurde.

Im August 2012 willigte die Beklagte in die Löschung der dieses Darlehen sichernden Grundschuld ein. Im Dezember 2013 widerriefen die Kläger den Darlehensvertrag und forderten die Beklagte auf, die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen, was die Beklagte zurückwies. Die Kläger waren der Ansicht, ihnen stünde auch noch über zehn Jahre nach Vertragsschluss ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zu. 0Die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 BGB a.F. habe nämlich noch nicht begonnen, da die Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hätte.

Das LG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihnen geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 43.909 €.

Zwar genügte die Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB (a.F.). Doch war das Widerrufsrecht der Kläger zum Zeitpunkt der Ausübung im Dezember 2013 bereits verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen.

Ein ausreichendes Zeitmoment lag hier vor. Der Darlehensvertrag war im Juni 2003 abgeschlossen worden und die Willenserklärung erst im Dezember 2013, also erst über zehn Jahre nach Vertragsschluss, widerrufen. Außerdem war nach erfolglosen Verhandlungen über eine Fortsetzung und die anschließende vollständige Abwicklung des Vertrags bis zum Widerruf mehr als ein Jahr vergangen, so dass auch das Umstandsmoment der Verwirkung erfüllt war und die Beklagte nicht mehr mit einem Widerruf rechnen musste, ohne dass es noch entscheidend darauf ankam, ob für die Erfüllung des Umstandsmoments zusätzlich die Freigabe der Sicherheit durch die Beklagte sprach.

Das Umstandsmoment wurde auch nicht durch etwaige Widerrufe anderer Darlehensnehmer der Beklagten und daran anschließende Prozesse ausgeschlossen. Diese Vorgänge waren ohne Einfluss darauf, ob die Beklagte davon ausgehen durfte, dass die Kläger, ggf. anders als andere Darlehensnehmer, ihren Vertrag nicht widerrufen würden.

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