18.07.2016

Verbraucherdarlehensvertrag: Zur Behandlung von Abweichung oder Zusatz zur Musterbelehrung

Im Zuge der Rückabwicklung eines wirksam widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrages schuldet der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer gem. § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gem. § 346 Abs. 1 Hs. 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss.

OLG Frankfurt a.M. 18.5.2016, 17 U 61/15
Der Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der Beklagten nach der vorzeitigen Abwicklung eines Darlehensvertrages auf der Grundlage eines nach der Abwicklung erklärten Widerrufs Zahlung i.H.v. insgesamt rd. 32.500 €. Der Kläger schloss als Verbraucher mit der Beklagten am 15.8.2007 einen Darlehensvertrag über ein endfälliges Darlehen im Nennbetrag von 168.000 € bei einer Zinsfestschreibung bis zum 30.7.2017. Diesem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Im Jahr 2013 führten die Kläger das Darlehen vollständig zurück und zahlten an die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. rd. 27.500 €.

Im Oktober 2013 erklärten die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages. Sie trugen u.a. vor, das Recht zum Widerruf der Vertragserklärung sei mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs noch nicht erloschen gewesen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. berufen, da die von ihr erteilte Widerrufsbelehrung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung nicht vollständig der Musterwiderrufsbelehrung entspreche. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, nach der Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche insgesamt 32.500 € an die Kläger zu zahlen.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage überwiegend statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Kläger haben aufgrund des von ihnen erklärten Widerrufs der auf den Abschluss des Darlehensvertrags vom 15.8.2007 gerichteten Willenserklärungen einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 27.525 € sowie weiterer rd. 1.050 € gem. § 346 Abs. 1 , 2 BGB i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 355 BGB a.F.. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht indes nicht.

Der im Oktober 2013 erklärte Widerruf ist nicht gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. verfristet. Zwar haben die Kläger ihre Vertragserklärungen nicht innerhalb von zwei Wochen seit Aushändigung der Widerrufsbelehrung widerrufen. Dies ist jedoch unerheblich, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu laufen begonnen hat und das Widerrufsrecht gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. nicht
erloschen ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt sich die Ausübung des Widerrufs auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Den Klägern ist insbesondere nicht vorzuwerfen, sich mit der Erklärung des Widerrufs in einen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Übereinstimmung zu ihrem früheren Verhalten stehenden Widerspruch gesetzt zu haben.

Aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs des Vertrages sind nach §§ 357 Abs. 1 S. 1 , 346 Abs. 1 BGB a. F. die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Im Zuge der Rückabwicklung eines wirksam widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrages schuldet der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer gem. § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gem. § 346 Abs. 1 Hs. 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss.

In Bezug auf die Darlehenszinszahlungen haben die Kläger einen Anspruch auf Zinsen i.H.v. 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss. Der gesetzliche Verzugszins beträgt im vorliegenden Fall nach § 497 Abs. 1 S. BGB a.F. bzw. nach § 503 Abs. 2 BGB n.F. 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, da das Darlehen durch die Bestellung von Grundpfandrechten gesichert war. Nach der von den Klägern vorgenommenen Verrechnung, die als Aufrechnung anzusehen ist, ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung des von den Klägern gezahlten Ablösebetrags von 196.000 € ein Betrag von 28.575 €.

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