06.01.2016

Warenform kann herkunftshinweisend wahrgenommen werden

Besteht zwischen einer verkehrsdurchgesetzten dreidimensionalen Klagemarke und der beanstandeten, für identische Waren verwendeten Form eine hochgradige Zeichenähnlichkeit, so ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Verkehr nicht nur die Form der Klagemarke, sondern auch die angegriffene Gestaltung als herkunftshinweisend wahrnimmt.

BGH 21.10.2015, I ZR 23/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, die Süßwaren, darunter den Schokoriegel "Bounty", herstellt und vertreibt, wandte sich gegen die Vermarktung eines Schokoriegels mit Kokosfüllung durch die Beklagte, die ebenfalls Süßwaren vertreibt. Im Januar 2012 präsentierte die Beklagte auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln den mit Kokos gefüllten und mit Schokolade umhüllten Riegel "Wish" und verteilte entsprechende Produkte an Messebesucher. Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte verletze mit dem Angebot ihrer Schokoriegel die Rechte an der eingetragenen dreidimensionalen Klagemarke.

Bei einer im Jahr 2004 durchgeführten Verkehrsbefragung hatten 42,7% aller Befragten den unverpackten Schokoladenriegel der Klägerin dem Produkt "Bounty" oder dessen Hersteller sowie 6,7% der Befragten den von der Mars Inc. weiterhin angebotenen Erzeugnissen "Mars", "Milky Way" oder "Snickers" zugeordnet. Weitere 3,8% der Befragten gaben an, die Form des Schokoriegels weise auf einen bestimmten Hersteller hin, konnten aber keine Angaben zur Bezeichnung des Produkts oder des Herstellers machen.

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung - unter Punkt 2 beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, mit Kokos gefüllte Schokoladenriegel in der nachstehend von mehreren Seiten wiedergegebenen dreidimensionalen Form im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben. Das LG gab der Klage mit dem Hauptantrag zu 2 statt; das OLG wies sie diesbezüglich ab. Auf die Revision hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als das OLG die Klage mit dem Hauptantrag 2 abgewiesen hatte und wies die Berufung im Umfang der Aufhebung zurück.

Gründe:
Das Berufungsgericht hatte zu Unrecht den mit dem Hauptantrag zu 2 verfolgten Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 5 MarkenG verneint.

Zwar lag zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Produktform keine Zeichenidentität i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vor. Zeichenidentität liegt demnach vor, wenn das angegriffene Zeichen ohne Änderung oder Hinzufügung alle Elemente wiedergibt, die die Marke bilden, oder wenn es als Ganzes betrachtet Unterschiede gegenüber der Marke aufweist, die so geringfügig sind, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können. Die tatrichterliche Würdigung, Klagemarke und angegriffene Produktform seien nicht identisch, weil letztere flacher und aufgrund der breiter gestalteten Verwerfungen auf der Oberseite plumper wirke als die eingetragene Form und deshalb in den Gestaltungsmerkmalen nicht nur so geringfügig von der Form der Klagemarke abweiche, dass die Unterschiede einem Durchschnittsverbraucher entgehen könnten, war nicht zu beanstanden.

Das OLG hatte jedoch zu Unrecht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verneint. Die Annahme, die Beklagte habe die angegriffene Form nicht markenmäßig benutzt, hielt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Besteht zwischen einer verkehrsdurchgesetzten dreidimensionalen Klagemarke und der beanstandeten, für identische Waren verwendeten Form eine hochgradige Zeichenähnlichkeit, so ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Verkehr nicht nur die Form der Klagemarke, sondern auch die angegriffene Gestaltung als herkunftshinweisend wahrnimmt.

Das Berufungsgericht hatte - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Ausführungen zur Verwechslungsgefahr gemacht. Einer Zurückverweisung bedurfte es jedoch insoweit nicht. Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die grundsätzlich auch das Revisionsgericht beantworten kann. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war Verwechslungsgefahr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzunehmen. Es wurde rechtsfehlerfrei festgestellt, dass identische Waren betroffen waren, die Klagemarke durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzt und die zu vergleichenden Zeichen hochgradig ähnlich sind. Die Gesamtbetrachtung all dieser Umstände führte zu dem Ergebnis, dass unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht, weil zu erwarten ist, dass der angesprochene Verkehr die angegriffene Gestaltung für die Klagemarke hält.

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