09.11.2011

Zu den Prüfungspflichten des Betreibers eines Internetauktionshauses

Unterstützt der Betreiber eines Internetauktionshauses die Inserate seiner Kunden mit gezielten Werbemaßnahmen, etwa durch Adwords-Anzeigen, ist er verpflichtet, die Angebote auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Die erhöhten Anstrengungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen sind ihm deshalb zuzumuten, weil er seine Rolle eines neutralen Vermittlers verlässt und eine aktive Rolle übernimmmt.

OLG Hamburg 4.11.2011, 5 U 45/07
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein in Norwegen ansässiges Unternehmen der Möbelbranche. Ihr seit Jahren erfolgreichstes Produkt ist der Anfang der 70er Jahre vom Designer Peter Opsvik entworfene Kinderhochstuhl "Tripp Trapp". Der "Tripp Trapp" wurde von mehreren Herstellern unter Verletzung des Urheberrechts nachgebaut. Solche Plagiate wurden auch von Kunden der Beklagten auf deren Internethandelsplattform zum Verkauf angeboten und von der Beklagten beworben.

Zu den Werbemaßnahmen der Beklagten gehörte z.B., dass die fraglichen Inserate beim Internetsuchdienst Google im Werbebereich eingeblendet wurden, wenn der Nutzer als Suchbegriff "Tripp Trapp" eingab (sog. Adwords-Anzeigen). Derartige Werbung fand auch noch statt, nachdem die Beklagte auf Veranlassung der Klägerin bereits mehrere urheberrechtswidrige Angebote gelöscht hatte.

Das OLG gab der Klage statt und untersagte es der Beklagten, ihren Kunden zu ermöglichen, auf den Internetseiten von eBay Inserate einzustellen, in denen bestimmte urheberrechtswidrige Nachbauten des von der Klägerin vertriebenen Kinderhochstuhls angeboten werden, sowie derartige Angebote zu bewerben. Die Revision zum BGH wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Die Gründe:
Mit den dargestellten Werbemaßnahmen hat die Beklagte die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen, aufgrund derer ihr erheblich erhöhte Anstrengungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen zuzumuten sind.

Der Betreiber einer Internethandelsplattform ist grundsätzlich nicht gehalten, ohne konkreten Anlass jedes Angebot vor seiner Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung zu untersuchen. Die Beklagte hat sich jedoch nicht auf das Bereitstellen technischer Strukturen beschränkt, sondern gezielt das Auffinden bestimmter Angebote durch Kaufinteressenten gefördert. Hieraus folgt, dass sich die Anforderungen an die Prüfpflichten erheblich erhöhen. Konkret bedeutet dies, dass die Beklagte sämtliche durch Wortfilter in ihrem Internetauftritt auffindbaren Angebote von Kinderhochstühlen einer visuellen Kontrolle darauf unterziehen muss, ob sich auch die fraglichen Plagiate darunter befinden.

Die Beklagte kann dagegen nicht anführen, ihr Geschäftsmodell basiere wesentlich darauf, dass sie ihre Dienste möglichst vollautomatisiert betreiben könne. Sollte das Geschäftsmodell der Beklagten allein darauf basieren, unabhängig von den damit einhergehenden Gefahren für fremde Rechtsgüter mit möglichst wenig Personalaufwand den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen, so ist fraglich, ob es sich überhaupt um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell handelt. Das OLG ging aber davon aus, dass die Beklagte ihr Geschäftsmodell nicht auf diese Aspekte verkürzt sehen will und entsprechend den Einsatz von Kontrollpersonal nicht schlechthin als hiermit unvereinbar ansieht.

OLG Hamburg PM vom 8.11.2011
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